Tischtennis in China Boll vergibt vier Matchbälle gegen Ovtcharov und verliert

Chengdu · Der Boykott der drei besten Chinesen bei der China Open schlägt hohe Wellen. Auch der Weltverband ermittelt. Nutznießer waren die beiden deutschen Topspieler Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov.

Dimitrij Ovtcharov: Deutscher Tischtennis-Star mit ukrainischen Wurzeln
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Das ist Dimitrij Ovtcharov

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Foto: AP/Kin Cheung

Der Boykott des heimischen Top-Trios um Superstar Ma Long hat bei der China Open für einen Eklat gesorgt und den Weg für das deutsche Traum-Finale freigemacht. Den Wirbel um die Rolle des chinesischen Cheftrainers Liu Guoliang nutzten der Weltranglistenfünfte Dimitrij Ovtcharov und Rekord-Europameister Timo Boll zum Einzug ins Endspiel. Dort setzte sich Ovtcharov in einem Krimi nach der Abwehr von vier Matchbällen mit 4:3 gegen Boll durch.

"Timo hätte den Sieg mindestens genauso verdient gehabt. Es war ein verrücktes Spiel. Ich bin natürlich stolz darauf, solch ein großes Turnier gewonnen zu haben, auch wenn die drei besten Chinesen nicht mehr dabei waren", sagte Ovtcharov nach der Partie. Boll haderte derweil mit vier vergebenen Matchbällen: "Das war schon bitter, den Entscheidungssatz nach 10:6 noch abgeben zu müssen."

Ovtcharov hätte wohl bei normalem Turnierverlauf im Viertelfinale gegen Olympiasieger und Weltmeister Ma ebenso die Segel streichen müssen wie Boll in der gleichen Runde gegen Vizeweltmeister Fan Zhendong. Aber normal waren diese China Open nicht.

Ma, Fan und Xu Xin traten aus Solidarität zu ihrem kurz zuvor zum Verbands-Vize "beförderten" Nationaltrainer Liu überraschend nicht zu ihren Achtelfinalpartien an. Damit stand schon früh fest, dass erstmals seit elf Jahren kein Chinese das Heim-Turnier gewinnen würde — 2006 hatte zuletzt Boll triumphiert.

Das chinesische Sportministerium ordnete den nationalen Verband CTTA an, den Vorfall umgehend zu untersuchen und streng damit umzugehen. "Sie haben ihr Berufsethos und den Nationalstolz ignoriert und sich respektlos gegenüber dem Publikum und den Gegnern verhalten", hieß es in einer Mitteilung. Dies sei inakzeptabel.

Das chinesische Team veröffentlichte schließlich eine Entschuldigung. Sie hätten ihre Spiele "aus einem Impuls heraus aufgegeben, ohne sich der Details der Umstrukturierung und der Auswirkungen im Klaren zu sein".

Kurz bevor das Trio nicht zu seinen Partien erschienen war, veröffentlichten sie auf der im Reich der Mitte beliebten Social-Media-Plattform Weibo identische Posts: "In diesem Moment haben wir keine Lust zu kämpfen... alles nur weil wir dich vermissen, Liu Guoliang!" Wenig später wurden diese wieder gelöscht.

Liu, der seit 2013 das chinesische Team trainierte, soll Vize-Präsident im Verband werden. Angesichts der Reaktion seiner Spieler wirkt der Positionswechsel jedoch wie eine Bestrafung.

Auch vonseiten der ITTF droht Ungemach. Der Weltverband behält sich Sanktionen gegenüber China vor. Zwar hätten sie die öffentliche Entschuldigung des chinesischen Teams erhalten, aber sie nehmen die Angelegenheit "sehr ernst", weil "das Bild und die Integrität des Sports global beschädigt wurde".

"Die ITTF wird den Fall weiter untersuchen, bevor irgendeine Entscheidung getroffen wird, aber im Moment ist jede mögliche Strafe auf dem Tisch", hieß es in dem Statement.

(dpa)
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