Forderung nach Studie Sportler lehnen Doping-Tests um zwei Uhr nachts ab
Überwiegend auf Ablehnung stoßen unter deutschen Sportlern mögliche Nachttests, um auch die letzte Lücke im Antidoping-Kampf zu schließen. Diese Forderung war nach einer Studie in Frankreich über erfolgreiches Doping mit Mikrodosierungen laut geworden.
Klingeln nachts um zwei, aufstehen, ins Röhrchen pinkeln und wieder einschlafen: Dieses Zukunftsmodell im Antidoping-Kampf stößt bei der Mehrheit der deutschen Sportler auf deutliche Ablehnung. "Ich werde die Tür nicht aufmachen. Da kann man mich auch nicht zwingen", sagt Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste dem SID.
Zehnkampf-Vizeweltmeister Michael Schrader meint ebenso deutlich: "Dazu bin ich nicht bereit." Christian Schreiber, Vorsitzender der Athleten-Kommission im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), hat dafür Verständnis: "Alles, was die Freiheiten einschränkt, trifft bei uns Sportlern nicht automatisch auf einen Juhu-Schrei."
Eine Studie aus Frankreich hatte in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt. Acht Ausdauerathleten waren einen Monat lang in Mikrodosierungen mit Eigenblut, Epo, Wachstumshormon und Kortikosteroiden gedopt worden. Die Dosierungen hinterließen keine Spuren in den Blutpässen der Probanden. Deren Leistungsfähigkeit wurde jedoch enorm gesteigert. Doping in Mikrodosen ist aber nur in einem kurzen Zeitraum von wenigen Stunden nachweisbar. Nachts kann der so gedopte Athlet sich praktisch sicher sein, nicht erwischt zu werden.
Dopingkontrollen zwischen 23 Uhr und sechs Uhr sind derzeit unüblich, NADA-Chefin Andrea Gotzmann verweist aber darauf, dass die Nationale Anti Doping Agentur "im Einzelfall bereits Dopingkontrollen in der Nacht durchführt". Gotzmann wirbt für ein vernünftiges Maß, nächtliche Kontrollen müssten "verhältnismäßig angewendet werden, nicht flächendeckend und regelmäßig, sondern wenn es begründete Argumente für eine Kontrolle in der Nacht gibt. Die Möglichkeit muss uns offenstehen. Dies ist auch im WADA-Code verankert."
Auf Gegenliebe stößt dies kaum. Während nächtlicher Besuch durch Kontrolleure für Radstar John Degenkolb ("Es ist kein Tabu für mich, ich würde nicht protestieren") oder Turner Fabian Hambüchen (Vater Wolfgang: "Der Fabian sieht das nicht so eng") zumindest akzeptabel wäre, sieht dies die Mehrzahl als falschen Weg. Schrader sagt: "Wir brauchen ja auch noch ein bisschen Privatsphäre und Schlaf. Wir müssen uns auch nicht alles gefallen lassen."
Deutschlands schnellster Leichtathlet Julian Reus hat ebenfalls eine klare Meinung: "Dopingkontrollen in der Nacht um zwei könnten der Schritt sein, der wirklich einer zuviel ist. Die Nacht ist die wichtigste Zeit für die Regeneration."
In einem Fall jedoch würden die Sportler ihre ablehnende Haltung aufgeben. Schrader: "Wenn man wirklich weltweit flächendeckend nachts testen würde, wäre das wieder eine andere Sache." Auch für Radsprinter Robert Förstemann ergebe der Schritt nur Sinn, "wenn man das weltweit durchsetzt". Athleten-Sprecher Schreiber stimmt dem zu: "Eine Einführung in nur einem oder wenigen Ländern halte ich für nicht zweckmäßig und hätte dabei in Deutschland starke Bedenken."
Zweifel an der Umsetzbarkeit nächtlicher Kontrollen sind aber durchaus angebracht, Wolfgang Hambüchen führte als Beispiel die Heimat von Supersprinter Usain Bolt an. "Nächtliche Kontrollen auf Jamaika kann ich mir kaum vorstellen. Da sollen ja sogar manchmal die Kontrolleure zugedröhnt sein."
Ob es überhaupt zu derartigen Kontrollen kommen wird, ist ungewiss, zumal sich die Verantwortlichen der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) selbst nicht einig sind. Da wird einerseits die Wirksamkeit der Studie in Zweifel gezogen, da es bei eigenen Nachprüfungen in den biologischen Blutpässen bei fünf Probanden angeblich zumindest Auffälligkeiten gegeben habe. In der gleichen Mitteilung betont die WADA aber auch, dass man die Effizienz der Mikrodosierungen anerkenne und damit Leistungssteigerung auch ohne positiven Test möglich sei.
Klar ist also, dass noch nichts klar ist. Zumindest vorerst dürfen daher Deutschlands Sportler weiter ihre ungestörte Nachtruhe genießen.