Spaß am Sport geht verloren Der falsche Ehrgeiz der Eltern

Düsseldorf · Viele Väter und Mütter nehmen ihren Kindern den Spaß am Sport. Die Verbände versuchen, die Eltern auf Distanz zu halten.

 Gerade beim Fußball mischen sich die Eltern von außen viel zu oft ein.

Gerade beim Fußball mischen sich die Eltern von außen viel zu oft ein.

Foto: Ferl

Eltern zerren ihre kleinen Kinder über die Ziellinie, um einen Junior-Marathon zu gewinnen. Seit ein paar Tagen geistert ein verstörendes Bild durchs Internet. Es ist entstanden bei einer Laufveranstaltung im österreichischen Linz. Neben dem normalen Wettkampf über 40 Kilometer wurde auch noch ein Rennen über 40 Meter angeboten. Es sollte ein Spaß sein, um die Drei- bis Vierjährigen an den Sport heranzuführen. Was Manfred Binder allerdings mit seiner Kamera aufgenommen hat, sieht nicht nach Freude aus. Auf dem Foto sieht man Kinder, die nicht wissen, wie ihnen geschieht. Eines weint. Weitere Gesichter offenbaren deutlich, dass den Kindern diese Art des Wettkampfs keinen Spaß bereitet. Die Eltern, das mag man ihnen mildernd unterstellen wollen, sind dem Irrglauben erlegen, ihren Töchtern und Söhnen einen Gefallen zu tun. Niemals aufgeben, ehrgeizig sein, immer versuchen, Erster zu sein - Lektionen fürs Leben auf 40 Metern.

Helikopter-Eltern. So bezeichnen Soziologen und Psychologen Eltern, die ständig über ihre Kinder wachen, über ihnen kreisen wie ein Hubschrauber. Dabei drücken sie ihrem Nachwuchs Ziele auf, die er gar nicht erfüllen kann oder will. Helikopter-Eltern glauben daran, ihre Kinder schaffen es nur in enger Manndeckung durchs Leben - nämlich durch sie selbst. Sie beschweren sich in der Schule über jede als ungerecht empfundene Note. Besonders engagiert zeigen sie sich auch in Sportvereinen. Als Betreuer, Manager, Trainer, Förderer in einer Person. Oftmals leider nicht einfach nur als Mama und Papa.

"Das Auftreten der Eltern hat sich in den vergangenen Jahren extrem verschlechtert", sagt Thorsten Flügel, Vorsitzender im Fußballkreis Essen. "Sie meinen überall mitreden zu müssen. Entscheidungen werden nicht akzeptiert. Der Trainer bekommt erklärt, warum seine Aufstellung keinen Sinn macht. Wichtig ist nicht das Team, sondern einzig das Wohl des eigenen Kindes. Neulich habe ich bei einem Spiel gehört, wie ein Elternteil seinem siebenjährigen Sohn zurief, er solle den Gegner einfach mal umtreten."

Immer wieder eskalieren Situationen, wenn Eltern sich einmischen. Anfang des Jahres musste die Partie in der E-Jugend zwischen Eintracht Borbeck und der DJK Dellwig zur Halbzeit beim Stand von 7:0 abgebrochen werden. Eltern von Dellwig waren auf den Platz gestürmt, hatten lautstark den eigenen Nachwuchs wegen der drohenden Niederlage attackiert. Die gegnerischen Spieler, Kinder zwischen acht und zehn Jahren, wurden massiv bedrängt und sogar getreten. Dellwig ist zu einer Geldstrafe von 150 Euro verurteilt worden. Ein zur Abschreckung viel zu mildes Urteil.

"Die Dimension der Aggressivität von Eltern hat zugenommen", sagt Markus Raab, Leiter der Abteilung Leistungspsychologie an der Sporthochschule Köln. Die Abteilung untersucht das Verhalten von Eltern, deren Kinder Sport treiben. Besonders Disziplinen, bei denen es eine starke Abhängigkeit zwischen Eltern und Kindern gibt, sind gefährdet für einen falschen Umgang. Zu beobachten ist das vor allem, wenn Kinder zu Wettkämpfen gebracht und abgeholt werden müssen. "Turnen, Eiskunstlauf, Tennis", gehören nach Raabs Angaben neben Fußball dazu.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kämpft seit Jahren gegen den Übereifer der Eltern. Der Verband braucht sie einerseits, um das Vereinsleben zu organisieren. Er muss sie aber auf Distanz halten, damit der Spielbetrieb nicht zu sehr gestört wird. "Es ist da etwas aus der Balance geraten", sagt Peter Frymuth, DFB-Vizepräsident und Präsident des Fußballverbands Niederrhein. "Falsch verstandene Motivation fördert Kinder nicht, sondern nimmt ihnen die Lust am Spiel."

Um Kindern einen möglichst großen Schutzraum zu bieten, hat der DFB die sogenannte Fairplay-Liga eingeführt. Dort geht es vor allem darum, nicht auf Leistungsmaximierung zu pochen. Wettkampf ist gewünscht, aber nicht um jeden Preis. Die Erwachsenen sollen die Kinder einfach spielen lassen und so wenig wie möglich eingreifen. Drei Regeln gibt es in der Fairplay-Liga: Die Kinder spielen ohne Schiedsrichter und entscheiden selbst. Die Trainer halten sich zurück und stehen direkt nebeneinander. Und die Zuschauer müssen ungefähr 15 Meter vom Spielfeld entfernt sein.

Raab und seine Abteilung begleiten das Projekt und arbeiten mit Fußball-Vereinen und -Verbänden zusammen. Schlagen diese Alarm, versuchen die Kölner Psychologen zu helfen. Eltern werden dadurch zu Schülern. Über mehrere Wochen werden Verhaltensmaßnahmen vermittelt - an die Eltern. Sie bekommen auch Entspannungsübungen beigebracht. Es geht um Motivation und nicht um Einschüchterung. Bringen die Maßnahmen nichts, gibt es einen Strafenkatalog. "Es kann auch zum Ausschluss von der Anlage kommen", sagt Raab. Das würde manchem Spielverlauf vermutlich sehr gut tun.

(RP)
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