EU berät über Beschneidung von Sportverbänden Banger Blick nach Brüssel

Düsseldorf/Brüssel · Die EU berät derzeit darüber, ob sie die Macht der internationalen Sportverbände beschneiden soll.

 Der niederländische Eisschnellläufer Mark Tuitert bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver.

Der niederländische Eisschnellläufer Mark Tuitert bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver.

Foto: ddp

Mark Tuitert hat zweimal den Gesamtweltcup über 1500 Meter gewonnen und ist 2010 in Vancouver Olympiasieger über diese Distanz geworden. Doch es ist gut möglich, dass der niederländische Eisschnellläufer nicht wegen seiner Erfolge in Erinnerung bleiben wird, sondern als Einer, der die Sportwelt in ihren Grundfesten erschütterte. Gemeinsam mit seinem Landsmann, Shorttrack-Weltmeister Niels Kerstholt hatte sich Tuitert schon im Juni 2014 bei der Europäischen Kommission über den Eisschnelllauf-Weltverband ISU beschwert, weil der die beiden Athleten mit einer lebenslangen Sperre belegen wollte, sollten sie bei einem finanziell lukrativen, aber nicht von der ISU lizenzierten Wettkampf in Dubai teilnehmen.

Was nach einem Eisschnelllauf-internen Zwist klingt, lenkt bange Blicke einer ganzen Reihe internationaler Sportverbände nach Brüssel. Denn seitdem die EU-Kommission in einer ersten Reaktion der ISU erklärt hatte, ihre Drohung verstoße gegen europäisches Kartellrecht, und eine Untersuchung einleitete, fürchten viele Verbände um ihr Veranstaltungsmonopol. "Wenn es darum geht, dass Sportverbände ihr Monopol dazu gebrauchen, Sanktionen gegen Sportler in einem Bereich außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs zu treffen, kann man natürlich auf den Gedanken kommen, dass es darum geht, sich über Exklusivität einen Marktwert gegenüber Sponsoren zu bewahren", sagt Martin Nolte, Direktor des Instituts für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule Köln, unserer Redaktion.

Man muss wissen: Das Kartellrecht überwacht, dass durch Monopolbildung in einem Wirtschaftsbereich keine Nachteile für den Verbraucher entstehen. Im Gegensatz dazu wird das Pyramidalsystem des internationalen Sports - vom Welt- über den Kontinental- bis zum nationalen Verband - vom Gesetzgeber bewusst in der Form eines Monopols mitgetragen, weil es mehr Vorteile als Nachteile bietet - die Einheitlichkeit von Regeln oder das Einhalten von Sicherheitsstandards. "Wenn man am Prinzip dieser Pyramidal-Ordnung rüttelt, fällt der Sport wie ein Kartenhaus zusammen", findet Nolte.

Doch Sportverbände sind heute nicht mehr nur Sportverbände, die kostendeckend arbeiten, sondern oft genug Wirtschaftsunternehmen mit gewaltigen Umsätzen. "Deswegen wäre es auch realitätsfern, sie beim EU-Recht in diesem Punkt nicht wie Wirtschaftsunternehmen zu behandeln", sagt Nolte. Wie weit dürfen Sportverbände gehen, um im positiven Sinn die Kontrolle über ihre Sportart zu wahren? Und ab wann missbrauchen sie ihre Monopolstellung und behindern dadurch Sportler bei der Ausübung ihres Berufs? Das sind die Fragen, die die EU nun beantworten muss.

Auch die Uefa hat Interesse

Es ist insofern nicht nur die ISU, die das Ergebnis der EU-Untersuchung mit Spannung erwartet. Gleiches gilt etwa für den internationalen Reitsport, den Skisport oder Cricket. Auch die Uefa hat großes Interesse am Ausgang der Untersuchung, träumen kommerzielle Rivalen doch schon länger davon, abseits der Kontrolle des Europäischen Fußballverbandes eine eigene Super-League zu vermarkten.

Wie lange der Sport noch bange nach Brüssel blicken muss, steht nicht fest. Es könnte schnell gehen, jetzt, da die Sommerpause in Brüssel endet, heißt es zuweilen. Doch offiziell teilt die EU nur mit: "Die Untersuchung läuft, wir können nicht sagen, wann die nächsten Schritte anstehen."

Beim Deutschen Olympischen Sportbund hat man jedenfalls die Tragweite der laufenden Untersuchung längst erkannt und verfolgt "den Fall mit Interesse, zumal es das Spannungsfeld ,Veranstaltungshoheit der Sportverbände' und ,wirtschaftliche Interessen von Berufssportlern' auch in anderen Verbänden gibt", wie eine Sprecherin mitteilte.

Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, schaltete sich im Juni in die Debatte ein und warnte davor, dass Wettbewerbshüter sich in den Sport einmischten. Er rief EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (Dänemark) auf, das europäische Sportmodell nicht zu zerstören, indem sie ihm dieselben Regeln auferlege wie der Autoindustrie.

(klü)
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