Kolulmne: Gegenpressing Lieber Arbeit als Sport

Düsseldorf · Schwimm-Weltmeister Markus Deibler hat mit 24 Jahren seine Karriere beendet. Der Fall weist auf die schwierige Vereinbarkeit von Hochleistungssport und beruflicher Karriere hin.

 Markus Deibler ist überraschend zurückgetreten.

Markus Deibler ist überraschend zurückgetreten.

Foto: dpa, ebe hak

Als Heide Rosendahl, die Doppel-Olympiasiegerin von München, ihre Karriere als Leichtathletin beendete, war sie 26 Jahre alt. Sie sprang da noch so weit und lief so schnell, dass sie sicher ein paar Jährchen auf Weltniveau hätte weitermachen können. Doch die Leverkusenerin entschied sich für die Ausbildung und die Familie. Auch Skirennläuferin Rosi Mittermaier hörte als 26-Jährige auf dem Zenit auf. Damals gab es noch nicht das große Geld im Sport zu verdienen. Der Amateur-Paragraf verhinderte sogar, dass Leichtathletinnen und Skirennläuferinnen eine Existenz hätten aufbauen können. Es war normal, mit Mitte 20 aufzuhören.

Heute ist es das nicht mehr. Als Markus Deibler nun seinen Rücktritt bekanntgab, herrschte allgemein Verwunderung. Der Kerl ist doch erst 24. Und er galt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten des deutschen Schwimmsports für die Olympischen Spiele in gut anderthalb Jahren. Nun zählt er keine Kacheln mehr, schwimmt nicht mehr täglich fünf bis 14 Kilometer, sondern kümmert sich verstärkt um "Luciella's". Das ist eine Eisdiele auf St. Pauli, die er mit Partnern und verheißungsvollen wirtschaftlichen Aussichten betreibt. Die vielversprechende Geschmacksrichtung "Cheesecake + Johannisbeer/Preisselbeer" und einige Sorten mit Salz gibt es da zum Beispiel. Im Segment Lebensmittel befindet sich Deibler in guter Gesellschaft. Ex-Fußballtrainer Holger Stanislawski führt in Hamburg einen Rewe-Laden, der frühere Boxer Henry Maske macht in Leverkusen in Hamburgern. Aber das nur nebenbei.

Deibler hat Motivationsprobleme, womöglich hat er dem Druck des Leistungssports nicht länger standhalten können. Der Fall weist auf ein Grundproblem des deutschen Sports hin. Berufliches Vorankommen und Sport auf olympischem Niveau lassen sich schwer miteinander in Einklang bringen - auch wenn es Ausnahmen gibt wie Speerwerferin Linda Stahl, die eine Olympiamedaille geholt und ihr Medizinstudium bravourös zum Abschluss gebracht hat.

Deibler ist der zweite Athlet aus der ersten Garde, der Knall auf Fall aufhört. Zu Jahresbeginn hatte Weitspringer Christian Reif gesagt, er mache bis 2016 weiter. Nun will er nicht mehr. Mit 30 Jahren. Er arbeitet fortan in einer Unternehmensberatung. Schön für Reif, schade für die Leichtathletik. Wenn der deutsche Sport nicht in die Mittelmäßigkeit abrutschen will, muss er dieses Problem lösen. Sonst sind Deibler und Reif nur der Anfang.

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(RP)
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