Schwimm-Gold für Marco Koch Die richtige Kraftprobe kommt in Rio

Kasan/Düsseldorf · Der deutsche Schwimmsport ist bescheiden geworden. Das Land von Albatros und Franzi, von Michael Groß und Franziska van Almsick, den Helden der 1980er und 90er Jahre, gehört längst nicht mehr zu den großen Schwimmnationen.

Marco Koch bejubelt WM-Gold über 200 Meter Brust
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Koch feiert historischen WM-Triumph

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Foto: dpa, msc hak

"Wir sind in vielen Diszplinen näher dran als angedacht, ohne dass man direkt die Wünsche in den Himmel wachsen lässt. Wir haben einen großen Schritt gemacht", sagte Chefbundestrainer Henning Lambertz (44). Der gebürtige Neusser hat die Aufgabe nach dem Debakel vor zwei Jahren in Katalonien übernommen, vorangegangen waren die Olympischen Spiele in London, wo die deutsche Mannschaft in den Beckenwettbewerben leer ausgegangen war. Das russische Kasan, wo in den vergangenen zwei Wochen die Titelkämpfe stattfanden, dient als Durchgangsstation auf dem Weg zu den Olympischen Spielen, die in genau einem Jahr in Rio de Janeiro stattfinden.

Dann wird es ernst. Dann bemisst sich die Bedeutung dieser olympischen Kernsportart in Deutschland. Denn nur alle vier Jahre schaut die breite Öffentlichkeit interessiert in die hellblauen Pools. Da geht es den Schwimmern nicht viel anders als etwa Reitern und Leichtathleten, die bei der EM in Aachen bzw. der WM in Peking in diesem Monat ihre olympischen Generalproben abgeben.

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Hype um zehnjährige Alzain

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Foto: afp, mlm/rt/rc

Das Ziel der Schwimmer für Rio de Janeiro ist durch die mit Deutschem Olympischem Sportbund und Bundesinnenministerium ausgehandelten Zielvereinbarungen genau definiert: Zwei bis vier Medaillen sowie zehn bis zwölf Finalplatzierungen werden genannt. Das scheint realistisch, auch wenn eine der drei Medaillen von Kasan in der Mixed-Lagen-Staffel erschwommen wurde. Dieser Wettbewerb gehört noch nicht zum Programm der Olympischen Spiele.

Gerade im Schwimmsport ist eine langsame und kontinuierliche Entwicklung allemal vertrauenswürdiger als eine plötzliche Rekordflut. Das Thema Doping ist allgegenwärtig. ARD-Expertin Franziska van Almsick kritisierte in Kasan: "Natürlich hat in meinen Augen der Weltverband Fina im Kampf gegen Doping auf ganzer Linie versagt, weil er seit vielen Jahren nichts dafür tut, dass es einheitliche Regeln gibt für alle." Die Fina scheint ihre eigenen Zahlen nicht zu kennen. Generalsekretär Cornel Marculescu sprach zunächst von 3000 WM-Dopingtests, nach Nachfrage von 300, um sich dann telefonisch über etwa 1000 verschiedene Tests informieren zu lassen.

Entlarvend war in diesem Zusammenhang die Aussage der Russin Julia Jekimowa, die wegen eines positiven Tests statt der üblichen zwei Jahre nur 16 Monate gesperrt worden war und jetzt Gold über 100 Meter Brust gewann. "Ich vergleiche das mit Autofahren. Wenn man zu schnell ist, bekommt man ein Ticket", sagte sie und stellte den Dopingfall damit als Lappalie hin.

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Mixed-Staffel bejubelt Bronze

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Bundestrainer Lambertz hat zum WM-Abschluss noch einmal über die Vision einer Millionenprämie für Olympiasieger gesprochen. "Wenn man da einen Anreiz schafft, ich sage jetzt mal eine fiktive Summe, da soll mich keiner drauf festnageln, man kriegt für den Olympiasieg eine Million Euro", dann sei das für viele Spitzensportler ein Anreiz, "sich darauf zu fixieren", sagte Lambertz. Doch wenn es um viel Geld geht, steigt die Versuchung, zu Dopingmitteln zu greifen.

Lambertz nannte als Beispiel für hohe Prämien Länder wie Großbritannien, wo Sportler für Olympiasiege bis zu siebenstellige Summen bekämen. In Deutschland mit einem ganz anderen sozialen Sicherungssystem schüttet die Stiftung Deutsche Sporthilfe 20.000 Euro für einen Olympiasieg aus. Eine Millionenprämie wäre für Lambertz "auch ein Zeichen, dass in ganz Deutschland Schwimmen ein bisschen angehoben wird und dann Kinder und Jugendliche eher sagen würden, ich sollte das machen - weil ich theoretisch damit Millionär werden kann." Hört sich interessant an, erscheint aber unrealistisch.

(RP)
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