NRW-Sportler des Jahres Von wegen "Vizekusen"

Dortmund · Bei der Wahl zu den NRW-Sportlern des Jahres siegen zwei Leverkusener Athletinnen. Der Felix Award feiert zehnjähriges Bestehen.

Vanessa Low springt mit doppeltem Weltrekord zu Gold
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Low springt mit doppeltem Weltrekord zu Gold

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Foto: rtr, HB

Bei rosa gebratenem Rinderfilet mit Süßkartoffel-Birnen-Gratin und französischem Rotwein wird geplaudert. Über Sport im Allgemeinen, über Fernsehrechte, Doping und Bayer Leverkusen im Speziellen. Bayer Leverkusen, das Team, das im Fußball unwillentlich den Ruf als ewiger Zweiter, als Vizekusen inne hat. An diesem Abend geht es aber nicht um die oftmals belächelte Fußballabteilung. Es geht um die Leichtathleten vom TSV Bayer 04. Und da gibt es keine Kontroverse am Tisch. Da gibt es ausschließlich Hochachtung. 1100 Gäste waren in die Dortmunder Westfalenhalle gekommen. Zum zehnten Mal hatten der Landessportbund und das Land NRW geladen, um die NRW-Sportler des Jahres mit dem Felix Award auszuzeichnen.

Der erste Applaus des Abends richtet sich an Konstanze Klosterhalfen, die als Newcomerin 2016 ausgezeichnet wird. Danach erhält Vanessa Low die Glastrophäe als Behindertensporlerin des Jahres. Beide tragen das Trikot mit dem Bayer-Kreuz auf der Brust - Bayer Siegerkusen.

Klosterhalfen, 19 Jahre jung, gilt als größte deutsche Hoffnung im Mittelstreckenlauf. Etwas schüchtern nimmt sie den Preis entgegen, lächelt und wirkt froh, als sie die Bühne wieder verlassen darf. Umso wohler fühlt sich Klosterhalfen auf der Tartanbahn. Sie war die zweitjüngste Läuferin bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, erreichte das Halbfinale über 1500 Meter und wurde Deutsche Meisterin über diese Distanz.

Low (26), Weltrekordhalterin und Goldmedaillengewinnerin im Weitsprung bei den Paralympics, sendet eine Grußbotschaft auf die Videoleinwand. Sie ist zu ihrem Freund ins australische Canberra gezogen. Jörg Frischmann, Geschäftsführer der Leverkusener Behindertensportabteilung, nimmt den Preis stellvertretend entgegen und äußert leichte Sorge, dass der Umzug ans andere Ende der Welt gleichbedeutend mit dem Ende der Liaison Low-Bayer sein könnte.

Große Sorge, dass der TSV in Zukunft weniger Erfolge feiern wird, muss Frischmann aber nicht haben. In David Behre, Heinrich Popow und Franziska Liebhardt standen mit Low vier Leverkusener Athleten unter den fünf nominierten Behindertensportlern. "Man muss auch mal festhalten, was Bayer Leverkusen für den Behindertensport in Deutschland tut", sagt Moderator Claus Lufen und erreicht lautstarke Zustimmung in der Halle.

Es ist allerdings einer der wenigen Momente, in denen die Zuschauer emotional reagieren. Zu trocken, zu staatstragend kommt die Veranstaltung über weite Strecken daher. Für die amüsanten Höhepunkte sorgen vor allem zwei Sieger: Max Rendschmidt, Doppel-Olympiasieger im Kanu, wird als Sportler des Jahres ausgezeichnet und überzeugt als Spaßvogel - paradoxerweise in seiner Arbeitskleidung als Bundespolizist.

Sein weibliches Pendant: Gina Lückenkemper. Die Sprinterin bringt Schlagfertigkeit und Spontanität in die durchchoreographierte Verleihung. Die 20-Jährige nimmt den Award für die Mannschaft des Jahres, die mit Bronze in Rio de Janeiro dekorierte 4x100-Meter-Staffel, entgegen.

Als Sportler der vergangenen zehn Jahre wird Timo Boll ausgezeichnet. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) streicht in ihrer Laudatio vor allem die Bodenständigkeit des Weltklasse-Tischtennisspielers heraus. Ohne zu verhehlen, dass Boll auch als wirtschaftlicher Faktor für NRW Investoren aus China anlockt. Auch Boll ist nicht in der Halle, um den Preis zu empfangen. Seine Entschuldigung passt aber perfekt zur Beschreibung des Menschen Boll. Sein erster Trainer erhält zeitgleich das Bundesverdienstkreuz - und der Coach hatte Boll nun mal zuerst gefragt. Versprochen ist versprochen.

Natürlich bleibt auch das Thema Doping nicht außen vor. Am Morgen war schließlich der zweite Teil des McLaren-Reports veröffentlicht worden, in dem mehr als 1000 russischen Athleten systematisches Doping vorgeworfen wird. Kritik richtet sich in Dortmund vor allem an das Internationale Olympische Komitee und dessen Präsidenten Thomas Bach.

Passend dazu erhält Hammerwerfer Markus Esser einen Sonderpreis. Durch Dopingüberführung seiner Konkurrenten rückte Esser bei der EM 2005 und der WM 2006 nachträglich auf den Bronzerang, die Medaillen dafür will er aber nicht zugeschickt bekommen. "Die späte Anerkennung ist schön, aber sie kann mir den Moment auf dem Podest nicht wiedergeben", sagt Esser, der jahrelang den Ruf als ewiger Vierter mit sich herumschleppte. Esser trat für den TSV Bayer an.

(erer)
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