E-Sports Profis am Bildschirm

Köln · Die Deutsche Fußball Liga lässt eine virtuelle Bundesliga austragen. Für die Spieler geht es um Profiverträge und viel Geld. Schalke 04 und der VfL Wolfsburg unterhalten sogar eigene E-Sport-Teams. Zu Besuch bei einem Turnier in Köln.

 Die Spieler starren wie gebannt auf die Bildschirme.

Die Spieler starren wie gebannt auf die Bildschirme.

Foto: Felix Gemein

Ilka Svensen steht in Lederjacke, Jeans und weiß-pinken Sneakern mit Leoparden-Print ein wenig verloren vor den alten Hallen am Kölner Zollhafen. Sie ist auf der Suche nach ihrem Bruder, trägt einen großen runden Filzhut, an ihren Ohren funkeln mit Kristall-Brillianten besetzte Ohrringe. "Wow", sagt sie an einen durchtrainierten jungen Cappyträger gerichtet, der mit zwei anderen jungen Männern vor der Türe des Sport- und Olympiamuseums steht und raucht. "Ihr seid E-Sportler?", fragt sie. "Im Ernst? Das kann ich nicht glauben. Ihr seid doch gar nicht dick!"

Im Inneren der alten Hafenanlage geht es an diesem traumhaften Frühlingstag geschäftig zu. Für die Sonne haben die rund 150 jungen Männer, die sich hier für die Finalrunde der Virtuellen Bundesliga qualifizieren wollen, allerdings keine Augen. Sie starren wie gebannt auf die 32 Flachbildschirme, die auf vier Konsolentürme verteilt in der Halle aufgestellt sind. Darauf zu sehen sind Spielszenen der Fußballsimulation, die den gleichen Namen trägt wie der Fußball-Weltverband: Fifa.

Die Deutsche Fußball Liga lässt seit fünf Jahren die virtuelle Bundesliga ausspielen. Partner ist dabei der Videospielriese Electronic Arts, der die Fifa-Serie entwickelt hat. In diesem Jahr nehmen rund 200.000 Spieler an den Online-Runden teil. Die sechs Besten qualifizieren sich fürs Finale, das am 15. und 16. April im Deutschen Fußball Museum in Dortmund ausgetragen wird. Das Turnier in Köln gehört zu einer Reihe von vier Offline-Wettbewerben, in denen noch einmal jeweils zwei Finalplätze vergeben werden. Dieser Modus soll sicherstellen, dass Elitespieler, die keine Zeit für die zeitintensive Online-Qualifikation haben, die Möglichkeit bekommen, im Finale dabeizusein.

An den Konsolen im Raum geht es ernsthaft zu. Immer wieder sind Jubelschreie und Flüche zu hören. Ein Freizeitspaß ist das Videospiel für viele der Teilnehmer längst nicht mehr. Es geht um Profiverträge mit festem Gehalt. Einige Spieler trainieren bis zu acht Stunden täglich, um ihr Niveau zu halten. Dem Gewinner des Final-Turniers in Dortmund winken 15.000 Euro Preisgeld und außerdem die Chance, sich über ein europäisches Auswahlturnier für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren, die im Herbst in Berlin ausgetragen wird. Wer es dorthin schafft, kämpft um eine Siegprämie von 150.000 Euro. Die Übergabe des Meisterpokals erfolgt im Rahmen der Verleihung des Ballon d'Or, der Auszeichnung für den Weltfußballer des Jahres - ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert der Fußball-Weltverband seinem virtuellen Ableger mittlerweile beimisst.

Für Tim Schwartmann ist Videospielen Sport. Und er muss es wissen. Denn er gehört zur den besten Spielern seiner Zunft. Schwartmann ist Teil des fünfköpfigen E-Sport-Teams des FC Schalke 04. "Stundenlanges Training, Konzentration über lange Phasen, die Reflexe - wenn das kein Sport ist, was denn dann?", fragt er einen seiner Kollegen. Der Schalker steht kurz vor seinem ersten Turnierspiel und lockert deshalb noch einmal seine Finger. Er setzt sich auf einen weißen Barhocker. Dann nimmt er den Controller in die Hand. Die Mannschaften werden ausgewählt, die Kontrahenten nicken sich zu, und dann geht es schon los. Zwei mal sechs Minuten dauert eine Begegnung. Die Finger der beiden Gamer fliegen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit über die Controller. Am Ende besiegt Schwartmann seinen Kontrahenten knapp mit 3:2. Schweißtropfen stehen auf seiner Stirn. Sein Zipper mit dem eingestickten Schalke-Emblem auf der Brust ist zerknittert. "Wow", sagt er und verzieht in Richtung seines Gegners anerkennend das Gesicht. Dann blickt er seinen Kumpel an. "Und du sagst mir, das sei kein Sport."

Bis zum Abend spielt sich der Schalker souverän bis ins Finale. Zu seinem großen Pech wartet dort in Kevin Assia einer der besten Fifa-Spieler der Welt auf ihn. Auch er ist Profi, gesponsert vom E-Sport-Team Expert. Schwartmann unterliegt ihm nach zwei engen Spielen mit 1:2 (1:1, 0:1).

Ilka Svensen hat ihren Bruder mittlerweile ausfindig gemacht. "Okay", sagt sie. "Ich hatte Vorurteile. Die meisten Jungs hier sind ja wirklich normal." Ihr Bruder Björn lächelt milde. "Ach, die hat jeder", antwortet er. "Bis man einmal selbst bei so einem Turnier war. Dann sieht man aber schnell ein: Die Zeit, in der alle Videospieler dickliche, bleiche Nerds waren, ist längst vorbei."

(th)
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