Reit-EM Deußers Abwurf kostet den Titel

Aachen · Acht Tage nach dem Titelgewinn in der Dressur gewinnen die Niederlande mit der Mannschaft auch die Europameisterschaft der Springreiter. Deutschland belegt den zweiten Platz.

 Enttäuschung bei Daniel Deußer.

Enttäuschung bei Daniel Deußer.

Foto: dpa, ua lre

Gerco Schröder räumt ab. Ahs und Ohs hallen durch das ausladende Reitstadion in der Aachener Soers, als der Niederländer eine Stange abwirft. Und noch eine. Und noch eine. Zwölf Fehlerpunkte handelt sich der letzte Reiter der holländischen Equipe ein. Der Holsteiner Wallach Cognac Champblanc, den ihm der schwerreiche österreichische Waffenfabrikant Gaston Glock zur Verfügung stellt, bringt offenbar nicht mehr die rechte Konzentration auch. Sein Reiter auch nicht. Müssen sie auch nicht. Oranje ist Europameister. Einen kräftigen Steinwurf hinter der Grenze holen sich die Niederländer acht Tage nach dem Titel in der Dressur auch den zweiten Mannschaftstitel in einem olympischen Wettbewerb, der in diesen Tagen in Aachen vergeben wird.

Daniel Deußer hatte zuvor vor 35.000 Zuschauern - darunter Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen - Deutschlands gute Chance auf Gold vergeben. Er hätte seinen Westfalen Cornet d'Amour bei tiefstehender Sonne fehlerfrei über den Kurs bringen müssen. Doch ein Abwurf machte den Traum vom Titel beim Heimspiel im Mekka des Pferdesports zunichte. Meredith Michaels-Beerbaum auf Fibonacci und Christian Ahlmann auf Taloubet waren zuvor ohne Makel geblieben, Ludger Beerbaum hatte sich mit Chiara jedoch vier Fehlerpunkte eingehandelt.

"Es wird noch Fehler geben, erfahrungsgemäß wird es in der letzten Runde noch schwerer. Es ist gut, dass wir noch in Reichweite sind", hatte Bundestrainer Otto Becker am Donnerstagabend gesagt, als seine Equipe vom ersten auf den dritten Platz hinter Frankreich und die Niederlande zurückgefallen war. Ja, es gab noch Fehler, die Stangen fielen. Vor allem bei den Franzosen, die von eins auf fünf stürzten. Überraschend schoben sich die Schweizer auf den Bronzerang.

Auch wenn Gold das erklärte Ziel war, ist Silber ein schöner Erfolg für die deutsche Equipe. Denn Medaillen sind angesichts von immer mehr Nationen, die in den beiden vergangenen Jahrzehnten in die Weltspitzen vorgerückt sind, keine Selbstverständlichkeit mehr. Vor zwei Jahren bei den Europameisterschaften im dänischen Herning hatte Deutschland Platz vier belegt, auch bei den zurückliegenden Olympischen Spielen in London und den Weltreiterspielen im vergangenen Jahr in der Normandie war die über Jahrzehnten von Erfolgen verwöhnte Mannschaft ohne Medaillen geblieben.

Im Vorfeld dieser EM hatte es vernehmlich rumort. Die deutschen Springreiter waren in den vergangenen Monaten erfolglos wie lange nicht mehr. Kein Sieg in der Nationenpreis-Serie, und die verpasste Qualifikation für das Final-Turnier - das war fast schon peinlich. Ein Jahr vor den Spielen in Rio drohte die Pferdesportnation den Anschluss an die absolute Spitze zu verlieren.

Ludger Beerbaum, 51 Jahre alt, und durch seine vier Olympiasiege von 1988 bis 2000 der tonangebende Mann im deutschen Springsport, fand zur rechten Zeit klare Worte. "Das kann nicht mit Pech begründet werden", kritisierte er vor einigen Wochen beim Nationenpreis in Mannheim, "wir kriegen es seit langem nicht mehr hin." Der Ruck, den er mit Blick auf das Championat in Aachen von seinen Teamkollegen forderte, kam gerade noch rechtzeitig. Beerbaum nahm Bundestrainer Otto Becker ("Ich bin froh, dass er das gesagt hat") die Arbeit ab.

Doch ausgerechnet Beerbaum brachte Deußer in Bedrängnis. Wäre der Routinier fehlerfrei geblieben, wäre Deutschland vor der Schlussrunde uneinholbar an den Niederlanden vorbei gezogen. "Ich will das nicht schönreden", sagte Ludger Beerbaum, "es ist kein Grund, in den Boden zu versinken. Es tut aber schon ein bisschen weh." Deußer musste sich zwingen, "superglücklich" über Silber zu sein. "Mein Pferd war eigentlich für null Fehler bereit", sagte der Wahl-Belgier. "Irgendwo haben wir an den drei Tagen etwas liegen lassen", meinte Ahlmann, "ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge." So empfand es offensichtlich auch das Publikum. Der Beifall bei der Siegerehrung fiel vergleichsweise verhalten aus.

Am Abschlusswochenende in Aachen geht es für Beerbaum noch um eine Medaille im Einzelwettbewerb. Doch mit dem Umlauf am Freitag fiel der dreimalige Europameister vom zweiten auf den sieben Platz zurück. An der Spitze steht der Spanier Sergio Alvarez Moya. Um nach ganz vorn zu kommen, braucht Beerbaum zwei perfekte Runden.

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