Norwegischer Schachkönig Magnus Carlsen fegt 13 Amateure vom Brett - auch Marco Bode

Hamburg · Weltmeister Magnus Carlsen zog bei einem Auftritt in Hamburg kleine und große Schach-Fans in seinen Bann. Nach der Show des Norwegers stürmte die Zahnspangenfraktion fast den Green Room des Champions.

Magnus Carlsen: Schach-Wunderkind und norwegischer Popstar
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Das ist Magnus Carlsen

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Als sich die schwere Tür des Green Rooms quälend langsam einen Spalt weit öffnete und Magnus Carlsen vorsichtig herauslugte, war das für mehr als ein Dutzend weiblicher Schach-Teenies wie ein höheres Zeichen. Mit silbernen Spangen auf den Zähnen und ausgestattet mit Kugelschreibern und rosa Notizblöcken weitete sich die Belagerung des Weltmeisters zu einer Umzingelung aus.

Beim Showauftritt mit 13 Simultanpartien herrschte noch fast andächtige Ruhe im hanseatisch-gediegenen Hotel Atlantic, damit war es anschließend ruckzuck vorbei. So unscheinbar der kleine Norweger mit unscheinbarem Konfirmandenanzug und Nerdbrille daherkam, so enthuasistisch feierte die Brett-Community den Champion der 64 Felder.

Zu den 13 Schachamateuren, die der gerade einmal 26 Jahre alte Skandinavier binnen einer halben Stunde Bedenkzeit von den Brettern fegte, gehörte auch der ambitionierte Hobbyspieler Marco Bode. Der langjährige Bundesligaprofi und Fußball-Europameister von 1996 hielt länger stand als die meisten seiner Tischnachbarn, musste aber dann doch nach 33 Zügen aufgeben.

"Wie gegen Real und Bayern gleichzeitig"

"Am Anfang habe ich mich eigentlich gut gefühlt. Dann war es, als ob man gegen Real Madrid und Bayern München zur gleichen Zeit spielt. Ich wollte es kompliziert auf dem Brett halten und dabei kompakt stehen. Aber der Druck wurde immer größer", sagte der einstige Europapokalsieger, aktuell Aufsichtsratsvorsitzender bei Werder Bremen.

Der Ex-Kicker bekam hautnah zu spüren, wie chirurgisch-präzise der als bislang bester Schachspieler der Geschichte geltende Carlsen seine Gegner analysiert - und anschließend förmlich seziert. "Nur physisches Schach ist wirklich tiefes Schach. Ein wahrer Wettstreit der Ideen", lautet sein Credo.

Was den Multimillionär nicht davon abhält, auch online eine Menge Geld zu verdienen. Mit lukrativen Spielen gegen Schachcomputer, aber auch dank seiner neuen App. Dort können Schachamateure gegen ihn antreten - wahlweise beispielsweise auch auf dem Level Carlsens im Alter von fünf Jahren. Für Anfänger ist wahrscheinlich dies bereits eine zu hohe Hürde.

Dennoch: Eine wirkliche Schachliebe hat sich bei Carlsen scheinbar nur zur traditionellen haptischen Variante mit Holzfiguren entwickelt: "Bei Computern fehlt mir das psychologische Moment. Und Maschinen kann man nicht überraschen oder erschrecken." Was ihm eben bei seinen Gegnern aus Fleisch und Blut regelmäßig gelingt.

Und manchmal dabei sogar trotz oder gerade wegen menschlicher Schwächen reüssiert. "Müdigkeit am Brett nach einer zu kurzen Nacht macht mich manchmal besonders kreativ", hat der Basketball-Fan, der seit 2013 den Welttitel hält, schon mehrfach festgestellt. Eine weitere Erkenntnis: "Wenn ich - aus welchen Gründen auch immer - nicht meiner Intuition folge, mache ich ein schlechtes Spiel."

Seine seltenen Niederlagen nimmt der Champion äußerlich gelassen hin - zumindest am klassischen Brett. Ganz anders kann es bei Onlinespielen zur Ablenkung vom nahezu täglichen Schachtraining aussehen.

"Da habe ich schon mal den Controller der Playstation zerstört", räumt Carlsen auf Nachfrage ein. Mit einem fast zärtlichen Blick eines Traditionalisten auf König, Dame, Läufer, Springer und Turm. Ihnen kann und wird Carlsen einen solchen Wutausbruch niemals zumuten.

(sid)
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