Schach-WM Entnervter Weltmeister Carlsen plötzlich im Hintertreffen

New York/Köln · Titelverteidiger Magnus Carlsen hat sich bei der Schach-WM einen Patzer erlaubt und liegt im Duell mit Außenseiter Sergei Karjakin plötzlich zurück. Im Moment der Niederlage präsentierte sich der Norweger äußerst genervt und wenig souverän.

 Magnus Carlsen reagierte sichtlich genervt auf die Niederlage gegen Außenseiter Sergei Karjakin.

Magnus Carlsen reagierte sichtlich genervt auf die Niederlage gegen Außenseiter Sergei Karjakin.

Foto: ap, RED

Im ungewohnten Gefühl der Niederlage wollte Magnus Carlsen nur noch weg. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf eilte der völlig entnervte Schachweltmeister aus dem Saal. Das eigentlich übliche Interview nach der Partie schwänzte er kurzerhand, und auch der Pressekonferenz blieb der 25-Jährige fern. Nein, reden wollte der amtierende Schach-Weltmeister nicht. Dafür saß der Frust über sein erschreckend schlechtes und überstürztes Spiel schlicht zu tief.

In der achten Partie des WM-Duells mit seinem stoisch defensiven und destruktiven Gegner Sergei Karjakin hatte er sich verzockt und die Nerven verloren. Die unerwartete Niederlage ist der negative Höhepunkt eines bislang verkorksten Duells. Carlsen spielt in New York deutlich unter seinem Niveau und so schlecht wie lange nicht. So könnte das im Vorfeld noch abwegige Szenario tatsächlich Realität werden: Dem einstigen Schach-Wunderkind Carlsen droht der Verlust seines WM-Titel.

Zwar sind noch vier Partien zu spielen, doch das Blatt hat sich spätestens jetzt zugunsten des russischen Außenseiters gewendet. Ganz gleich, was Carlsen bislang versucht hat, Karjakin hatte immer eine Antwort parat. Dazu kommen für Carlsen völlig untypische Fehler, die dem Herausforderer in die Karten spielen. Karjakin hält nun mit seiner ersten gewonnenen Partie, ausgerechnet mit dem vermeintlichen Nachteil der schwarzen Steine, alle Trümpfe in der Hand.

Mit 4,5:3,5 Punkten führt der 26-Jährige, der in der neunten Partie am Mittwoch zusätzlich den Vorteil der weißen Steine innehat. "Offenbar hat Magnus seine Stellung überschätzt. Das hat ihn in Schwierigkeiten gebracht, er hätte sich besser verteidigen sollen", sagte Karjakin.

Carlsen hatte mit hohem Risiko und mehreren Bauernopfern versucht, den Russen zu überrumpeln. Doch dieses Vorgehen erwies sich als Bumerang. Karjakin nutzte nach der Zeitkontrolle im 40. Zug seine Chance und gewann dank eines weit vorgerückten Freibauern auf der a-Linie. Carlsen kratzte sich derweil ungläubig an der Nase, verzog das Gesicht und rutschte auf seinem Stuhl hin und her, ehe er Karjakin widerwillig die Hand reichte und seine Niederlage einräumte.

Entschieden ist das Duell noch längst nicht. "Schließlich sind sind noch vier Partien zu spielen, in denen alles passieren kann", sagte Karjakin. Fakt ist aber: Carlsen benötigt eine enorme Leistungssteigung, falls er seinen Titel nicht an Karjakin verlieren will. Er muss gegen den Defensivkünstler mindestens eine Partie gewinnen, um den Tiebreak zu erzwingen. Dieser beinhaltet vier zusätzliche Partien mit einer verkürzten Bedenkzeit von 25 Minuten plus 10 Sekunden Zeitgutschrift pro Spieler/pro Partie.

Doch, dass das alles andere als leicht werden wird, zeigen die ersten acht Partien. Der schüchterne Karjakin ist ein Meister in der Defensive, und Carlsens so gefürchteten Improvisations-Fähigkeiten greifen im Aufeinandertreffen in New York (noch) nicht. Enden die folgenden vier Partien Unentschieden, heißt der neue Weltmeister Sergei Karjakin.

Bei allem Trubel um seine Person ließ sich Karjakin dann doch noch eine kleine Spitze gegen Carlsen entlocken. "Es ist sehr befriedend, mit schwarzen Steinen zu gewinnen", sagte er lächelnd: "Aber gut zu spielen, ist wichtiger als die Farbe der Figuren."

(sid)
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