Schach-WM Carlsen im Vorteil - Anand nach "furchtbarer Partie" demoralisiert

Magnus Carlsen steht bei der Schach-WM in Sotschi vor der Titelverteidigung. Dabei leistete sich der Norweger am Samstag gegen Herausforderer Viswanathan Anand einen schweren Patzer.

Schach-WM: Magnus Carlsen im Vorteil - Anand demoralisiert
Foto: dpa, ms mr

Nach seinem glücklichen Sieg in der bislang dramatischsten WM-Partie atmete Magnus Carlsen ganz tief durch. "Ich bin total erleichtert, das hätte den WM-Verlust bedeuten können", sagte der Schach-Weltmeister aus Norwegen. Nur weil Ex-Champion Viswanathan Anand (Indien) einen verheerenden Fehler des 23-Jährigen übersah, liegt Carlsen nach der Hälfte der Partien in der Gesamtwertung nun mit 3,5:2,5 vorne - und darf erneut auf den Titel hoffen.

In der russischen Olympiastadt Sotschi könnte dabei am Samstag schon die Vorentscheidung gefallen sein. Zwar benötigt Titelverteidiger Carlsen 6,5 Punkte für den erneuten Triumph, doch psychologisch ist er vor dem siebten Duell am Montag klar im Vorteil. "Wenn du ein Geschenk nicht erwartest, siehst du es manchmal auch nicht. Das war insgesamt eine furchtbare Partie", sagte der geschlagene Anand mitgenommen: "Es fühlt sich nicht gut an. Ich habe schnell gemerkt, dass ich einen Fehler gemacht habe."

Zwar erlaubte sich Carlsen im 26. Zug einen haarsträubenden Königszug, wonach die Partie sofort hätte kippen können. Anstatt mit seinem Springer den Bauern e5 zu gewinnen, schob Anand aber fast ohne nachzudenken einen Randbauern vor. Nachdem er sah, was er verpasst hatte, fiel er mental auseinander und verspielte seine Stellung innerhalb weniger Züge. Nach drei Stunden und zehn Minuten gab der 44-jährige Herausforderer in aussichtsloser Stellung auf.

"Schachblindheit" nennen es die Spieler selbst, wenn sie einen eigentlich offensichtlichen Zug in Drucksituationen nicht sehen. Genau das wurde Anand zum Verhängnis. "Ich hatte sehr viel Glück, dass er meinen Fehler nicht ausnutzte", befand Carlsen, der nach dem Match ebenso mitgenommen wirkte wie sein Kontrahent: "Das darf nicht passieren. Mein Spiel war nicht sehr selbstbewusst."

Ein ganzes Land hielt den Atem an, als die Partie zu kippen drohte. In seiner norwegischen Heimat ist Carlsen, der sich im vergangenen Jahr zum zweitjüngsten Schach-Weltmeister der Geschichte krönte, ein Superstar. Ob Talkshows, Einladungen ins Königshaus oder Werbe-Auftritte - der oft so unnahbar wirkende Weltmeister ist in dem eigentlich wintersportverrückten Land einer der größten Sportprominenten.

Die Übertragungen des Duells erreichten 2013 Rekordquoten. Teilweise saß das halbe Land gebannt vor dem Fernseher, Schach erreichte ungeahnte Popularitätswerte. In diesem Jahr ist es bei TV-Marktanteilen von um die 30 Prozent nicht anders und das staatliche Fernsehen NRK überträgt alle Partien des bis zum 28. November angesetzten Titelkampfs live. Bei den Pressekonferenzen in Sotschi drängen sich die Journalisten um den "Mozart des Schachs", das Interesse in Norwegen ist gigantisch.

Der Rahmen in Sotschi ist dafür allerdings unwürdig. Bei Preisen von bis zu 750 Euro verirrt sich kaum ein Zuschauer in den Spielsaal des Medienzentrums der Olympischen Winterspiele, auch die Einheimischen bleiben trotz freien Eintritts fern. Als "Schande" bezeichnete der russische Großmeister Garri Kasparow deswegen das triste Ambiente im Schwarzmeerort.

Nun könnte das Duell, das bislang deutlich spannender verlief, als viele Experten es im Vorfeld erwartet hatten, nun recht schnell vorbei sein. "Es wird sehr schwer für Anand, noch einmal zurückzukommen", twitterte Ex-Weltmeister Kasparow und steht mit dieser Meinung längst nicht alleine da. Weitere Fehler sind spätestens jetzt verboten.

(sid)
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