Schwimm-WM Unruhe im Wasser

Düsseldorf · Die besten Schwimmer verbünden sich gegen den Weltverband, in Deutschland streitet man über den Weg aus der Krise, ARD und ZDF streichen die Übertragung im Hauptprogramm - vor der anstehenden WM liegt einiges im Argen.

Katinka Hosszu holt zweite Goldmedaille innerhalb von zwei Tagen
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Hosszu holt zweites Gold binnen zwei Tagen

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Katinka Hosszu war wütend. So richtig wütend. Und deswegen schrieb die ungarische Weltklasse-Schwimmerin einen offenen Brief. Es sei keine Übertreibung zu behaupten, der Schwimm-Weltverband Fina versinke im Chaos, schrieb Hosszu. Es fehle an Transparenz beim Geld, Regeln würden laufend geändert, und die Verantwortlichen hätten einfach keine Visionen. Damit das alles besser wird, rief Hosszu die Athletenvereinigung GAPS ins Leben. Auf der Mitgliederliste stehen 15 Olympiasieger. Auch der deutsche Weltmeister Marco Koch ist dabei.

Die Initiative der Lokalmatadorin gegen die Fina beleuchtet dabei gleich mehrere Probleme, die sich dem internationalen Schwimmen vor der morgen in Budapest beginnenden WM stellen. Zum einen hat noch immer niemand ein Konzept gefunden, um Schwimmen auch in den vier Jahren zwischen Olympischen Spielen für die Öffentlichkeit interessant zu machen. Der Weltcup ist es jedenfalls nicht. Zum anderen fehlt es nach dem Rücktritt von Michael Phelps an einem Superstar, der über den Beckenrand hinaus strahlt. Hosszu braucht den Zusatz "dreimalige Olympiasiegerin und siebenfache Weltrekordlerin", damit sie ein breites Publikum einordnen kann. Ähnlich verhält es sich bei Namen wie Katy Ledecky, Allison Schmitt oder Dana Vollmer.

Von den deutschen Schwimmern ist Marco Koch nach dem Karriereende von Paul Biedermann und Britta Steffen noch am ehesten derjenige, der hierzulande ohne weitere Erklärungen als Schwimmer verortet wird. Bei Philip Heintz und Franziska Hentke bestehen da schon Zweifel. Dabei sind sie die beiden anderen Stars im WM-Aufgebot des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV). 14 Athleten umfasst dieses Aufgebot für die Beckenwettbewerbe, bei der WM vor zwei Jahren waren es noch 31. Doch dann folgten in Rio 2016 eben die zweiten medaillenlosen Olympischen Spiele in Folge. Und seitdem geht der DSV neue Wege, um aus der Krise herauszukommen. Chefbundestrainer Henning Lambertz setzte auf härtere Qualifikationsnormen für die WM, ein neues Kraftkonzept und mehr Zentralisierung.

Die Reform stößt dabei durchaus auf Zustimmung in Trainerkreisen, aber eben auch - traditionell, möchte man mit Blick auf den DSV sagen - auf Widerstand. Und selbst wenn Lambertz sagt, er sehe kein Zerwürfnis zwischen sich und den Heimtrainern, muss sich Lambertz in Interviews doch immer wieder für sein Wirken rechtfertigen. Wobei in den vergangenen Monaten auch die unsichere berufliche Zukunft manches Trainers angesichts der Leistungssportreform die Debatte befeuerte. Marco Koch verteidigte Schwimm-Bundestrainer Henning Lambertz zuletzt gegen die harsche Kritik aus Trainer- und Athletenkreisen. "Mir kam es nach den deutschen Meisterschaften so vor: Egal, was Henning vorgeschlagen hätte, selbst wenn es der Heilige Gral gewesen wäre, es wäre immer Kritik gekommen", sagte er im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst.

Gegenwind kam von Athleten wie Vanessa Grimberg, die sich nach ihrem Deutschen Meistertitel über 100 Meter Brust: Sie attestierte Lambertz einen Mangel an Umgangsformen. Biedermann und dessen Trainer Frank Embacher (der einen Rechtsstreit gegen den DSV wegen seiner Entlassung führt) schossen ebenfalls gegen Lambertz.

Was das Ganze nicht besser macht: Solche, in der Regel über die Öffentlichkeit ausgetragenen Dispute gehören seit Jahren zum schlechten Ton im Schwimmen. Böse Zungen behaupten, sie seien gar die einzige Konstante des Sports. Markus Deibler, 2014 Kurzbahn-Weltmeister über 100 Meter Lagen, glaubt deswegen auch nicht, dass sich das ändert. "Solange der Erfolg fehlt, wird gestritten werden", sagte er unserer Redaktion. Für den 27-Jährigen liegt das größte Problem allerdings in der unzureichenden Förderung von Schwimm-Talenten in der Breite. "Es wird in Deutschland immer nur Einzelkämpfer geben, keine breite Masse, die es an die Weltspitze schafft. Dafür wird viel zu wenig getan", sagte Deibler. Er betreibt nach seinem Karriereende 2014 inzwischen zwei Eisdielen in Hamburg und sorgte im Vorjahr für Aufsehen, als er während Olympia bei Facebook schrieb: "In einem Land, in dem ein Olympiasieger 20.000 Euro Prämie bekommt und ein Dschungelkönig 150.000 Euro, sollte sich niemand über fehlende Medaillen wundern."

Ob es Medaillen im Budapester Becken für den DSV geben wird, ist zumindest fraglich. Deibler würde die WM schon als Erfolg werten, "wenn die deutschen Sportler ihre Bestleistung verbessern können". Eine Enttäuschung mussten die Schwimmer aber schon hinnehmen: ARD und ZDF übertragen die WM nicht im Hauptprogramm, sondern nur in den Spartenprogrammen One und ZDF Info sowie im Livestream. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky erklärte: "Die Erwartungshaltung an die Quoten beim Schwimmsport ist gering." Bei den jüngsten Schwimm-Übertragungen habe der durchschnittliche Marktanteil bei fünf bis sechs Prozent gelegen. Quiz-Sendungen am Vorabend erreichen oft 15 Prozent.

(RP)
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