Tischtennis-EM Boll gibt im Halbfinale verletzt auf

Seit Jahren schon bereitet EM-Rekordsieger Timo Boll der Körper immer wieder Probleme. Im Halbfinale der EM in Budapest musste der frühere Weltranglistenerste nach einer gerade überstandenen Nackenverletzung wegen einer neuerlichen Blessur aufgeben und die Hoffnung auf seinen siebten EM-Einzeltitel vorzeitig begraben.

Timo Boll – Rekord-Meister, Weltranglisten-Erster, Borussia Düsseldorf
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Das ist Timo Boll

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Foto: dpa/Andreas Arnold

Die "Krankenakte Boll" ist um einen Eintrag dicker: Wegen einer zunächst nicht näher bezeichneten Verletzung hat der deutsche Tischtennis-Star am Sonntag im EM-Halbfinale von Budapest gegen den Franzosen Simon Gauzy beim Stand von 1:2 Sätzen vorzeitig aufgeben und damit die Hoffnung auf seinen siebten EM-Einzeltitel begraben müssen.

Für Boll bedeutet das unfreiwillige Aus das nächste Kapitel in einer auch für über 20 Jahre Leistungssport relativ langen Patienten-Geschichte. Oft schon hatte der frühere WM-Dritte mehr mit seinem Körper zu kämpfen als mit seinen Gegnern in der Box.

Erst vor nicht einmal drei Wochen erst hatte sich der 35-Jährige nach einer Zwangspause durch eine Nackenverletzung aus dem Olympia-Turnier in Rio de Janeiro wieder fit gemeldet und die ersten Matches der nach-olympischen Saison bestritten.

Auch vor Rio hatte Boll massiv mit seinem Körper zu kämpfen. Aufgrund von Schleimbeutel-Problemen im linken Knie hatte sich der frühere Weltranglistenerste vor rund einem Jahr einer Operation unterziehen und auf seine Teilnahme an der EM in Jekaterinburg verzichten müssen. Trotz monatelanger Pause verlief die anschließende Reha so schleppend, dass Boll auch kurz vor Frühlingsbeginn beim wichtigen Europe-Top-16-Turnier in Portugal noch nicht wieder auf Topniveau spielen mochte und damit die Qualifikation für den Weltcup Anfang dieses Monats in Saarbrücken verpasste.

Bei der EM 2015 in Russland fiel Boll zum vierten Mal in seiner Profi-Laufbahn bei einem Großereignis aus gesundheitlichen Gründen aus. Zwei Jahre zuvor hatte der Linkshänder aufgrund einer Grippe für die EM in Österreich passen müssen und damit unfreiwillig seine Ablösung als Deutschlands und Europas Nummer eins durch den Olympia-Dritten Dimitrij Ovtcharov eingeleitet.

"Ich bin echt platt", sagte Boll zur Begründung seiner damaligen Absage kurz nach einer gerade erst auskurierten Schulterzerrung. Schon 2008 hatte der Wahl-Düsseldorfer wegen Kniebeschwerden bei der Mannschafts-WM in Guangzhou/China gefehlt, ehe Boll zwölf Monate später aufgrund einer Lendenwirbel-Verletzung auch bei der Einzel-WM im japanischen Yokohama nur Zuschauer war.

Zu den Einträgen in seinem Krankenblatt gehört auch eine "mentale Erschöpfung", wie Boll im Herbst 2010 eine kurzfristig eingeschobene Wettkampfpause begründete: "Ich brauche zwar kein Sauerstoffzelt, aber mein Kopf hat wohl eine kleine Gehirnwäsche nötig, um nicht in ein großes Loch zu fallen."

In jüngerer Vergangenheit machten dem deutschen Rekordmeister außerdem eine Sehnenreizung in der Schulter, Bizeps-Probleme (beides 2012) und eine Brustmuskel-Zerrung (2013) zu schaffen. Davor war sein Rücken für Boll zum Kreuz geworden: Immer wieder plagten ihn Wirbelsäulen-Probleme mit schmerzhaften Muskelblockaden und Nervenentzündungen.

"Die Gewissheit", meinte der zweimalige Weltcupsieger einmal dazu, "dass mein Körper funktioniert, hatte ich schon lange nicht mehr."

Bolls Beanspruchung in den vergangenen Jahren war trotz reduzierten Pensums enorm: hohe Anforderungen bei internationalen Meisterschaften, World-Tour-Turnieren, zuletzt wieder drei Sommer-Engagements in China und Bundesliga-Einsätzen, kaum geringere Belastungen im Training, Jetlags und ein Leben aus dem Koffer.

Die Probleme im Vorjahr erschienen denn auch durchaus als Warnsignal seines Körpers. "Wenn mein Körper mitmacht", sagte Boll noch kurz vor der Reise nach Ungarn, "ist Olympia 2020 in Tokio für mich noch einmal ein echtes Ziel." Der Dämpfer von Budapest indes stellt seine Ambitionen immerhin etwas infrage.

(sid)
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