Boll Dritter beim Weltcup in Düsseldorf "Tischtennis ist kein Gesundheitssport"

Düsseldorf · Nach dem dritten Platz beim Weltcup in Düsseldorf macht Timo Boll Urlaub. Sein Körper braucht ihn.

 Timo Boll muss mit seinen Kräften haushalten.

Timo Boll muss mit seinen Kräften haushalten.

Foto: dpa, hka hak

Bundestrainer Jörg Roßkopf steht demonstrativ von seinem Stühlchen auf und klatscht Beifall. Rackedino, das lebensgroße Maskottchen des Deutschen Tischtennis-Bundes, hebt jubelnd die Plüsch-Ärmchen. Und das Publikum im Düsseldorfer ISS Dome macht mit den Klatschpappen Krach. Meterweit standen Timo Boll und der Japaner Jun Mizutani kurz zuvor hinter dem Tisch und prügelten wie von Sinnen auf den armen kleinen Ball ein. Hin und her, her und hin, mit mehr als 150 km/h. Boll macht den Punkt. Tischtennis auf Weltklasse-Niveau. Dieses 7:1 im fünften Satz ist ein entscheidender Punkt auf dem Weg zum Sieg (4:2 Sätze) des Borussen im Spiel um den dritten Platz.

Boll gewinnt gegen den Japaner fast alle dieser spektakulären Ballwechsel und versetzt damit die Zuschauer in Hochstimmung. "Es war gut, dass ich mich in diese Bälle hineingequält habe, ich habe die Spannung hoch gehalten", sagt der 33-Jährige, "das war gute Kopfarbeit. Zum Glück haben mich die Zuschauer getragen."

Wichtiger als diese Bigpoints seien aber "die weniger spektakulären Ballwechsel", betont er. Und mit seinem präzisen Handwerk konnte er beim Weltcup, dem nach Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften bedeutendsten Turnier, wahrlich zufrieden sein.

Das überraschend klare 4:0 im Viertelfinale gegen seinen indisponierten Teamkameraden Dimitrij Ovtcharov und die Begegnung mit dem Chinesen Zhang Jike - für Boll derzeit der Beste der Welt - stärken sein Selbstvertrauen. Gegen den späteren Turniersieger Zhang unterlag er zwar 2:4, verschaffte sich aber die Gewissheit, wieder mit den Chinesen mithalten zu können. Das tut ihm gut. Allein der Gedanke zaubert ihm ein Lächeln ins Gesicht.

Gerade mit Blick auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro hilft ihm diese gelungene Standortbestimmung. Mehr als 21 Monate sind es bis dahin zwar noch, aber die Planungen und Vorbereitungen laufen längst. Bei den zurückliegenden Spielen holten die deutschen Männer Medaillen: Silber 2008 in Peking, Bronze vor zwei Jahren in London. "Wir müssen das Team Deutschland auf Kurs halten", sagt Bundestrainer Roßkopf, "viele greifen uns an, und wir versuchen, die Chinesen anzugreifen."

Boll muss in den kommenden knapp zwei Jahren ein Spagat gelingen, wie er sagt. Auf der einen Seite wäre es wünschenswert, sich in der Weltrangliste von Rang neun weiter nach vorn zu arbeiten. Wenn er auf Position drei oder vier steht, hat er die Gewissheit, in Rio erst im Halbfinale auf einen Chinesen zu treffen. Auf der anderen Seite würde den ehemaligen Weltranglisten-Ersten die Klettertour im Ranking Substanz kosten. Mit 33 Jahren und nach anderthalb Jahrzehnten in der Weltspitze muss er genau darauf achten, was er seinem strapazierten Körper zumuten kann. "Tischtennis ist kein Gesundheitssport. Der ganze Körper ist gefährdet", sagt er. Vor allem die ruckartigen Bewegungen belasten Muskeln, Bänder und alle möglichen Körperteile.

Mehr Fitnesstraining, weniger Tischtennis - so lautet das Rezept dieses disziplinierten Athleten, der über sich sagt: "Mit 33 Jahren muss man aufpassen." Für die Turniere gilt für ihn die Maxime: Weniger ist mehr. Boll verzichtet deshalb immer häufiger auf Turniere der World Tour, konzentriert sich auf Höhepunkte wie eben an diesem Wochenende den Weltcup und auf das Engagement bei seinem Klub Borussia Düsseldorf.

Doch jetzt ist Zeit für Urlaub. Der Odenwälder hat ihn nötig. Den Sommer über hat er praktisch durchgespielt, unter anderem zu Fortbildungszwecken in der chinesischen Superliga, die EM folgte. Ab heute verzieht sich Boll in die Berge. Zehn bis zwölf Tage lässt er die Schläger beiseite, auch wenn es spätestens nach einer Woche schon wieder kribbelt. "Der Körper wird es mir danken", weiß er.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort