Tischtennis Weltklasse zu Gast bei Ovtcharov

Düsseldorf · Der beste deutsche Tischtennisspieler wohnt in Düsseldorf nur zehn Minuten vom Schauplatz des World Cups entfernt.

Deutschland verliert Finale gegen China
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Foto: dpa, km pt

Seine Frau Jenny sagt Dimitrij Ovtcharov nach, dass er mit seiner Zeit gelegentlich arg knapp kalkuliert. "Mr. Timing-Optimist" nennt die ehemalige schwedische Nationalspielerin ihn deshalb.

Bei den Tischtennis-Europameisterschaften im vergangenen Monat in Lissabon pflegte er diesen Ruf - unverschuldet allerdings. Wegen zweier Ausfälle im deutschen Team wurde er unvermutet früh benötigt. Doch das Auto, das ihn vom Flughafen abholen sollte, hatte 25 Minuten Verspätung, und der Fahrer baute noch einen kleinen Unfall. Eine halbe Stunde blieb dem 26-Jährigen gerade noch zum Einspielen. Normalerweise viel zu wenig auf diesem Niveau.

Ähnlich turbulent sollte es am kommenden Wochenende für ihn nicht zugehen. Denn Deutschlands bester Tischtennisspieler bekommt die Weltelite praktisch nach Hause geliefert. "Zehn bis zwölf Minuten mit dem Auto" sind es nach seinen Schätzungen zwischen seiner Wohnung und dem ISS Dome in Düsseldorf-Rath. Dort findet ab Freitag der Weltcup statt, das nach Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften wichtigste Turnier auf globaler Ebene. Seit 34 Jahren wird es ausgespielt. 118 000 Euro Preisgeld sind für Tischtennis-Verhältnisse eine fürstliche Dotierung. Dritter war Ovtcharov im vergangenen Jahr, als dieses Turnier im belgischen Verviers stattfand. Daheim in Düsseldorf darf es schon noch ein bisschen mehr sein, so verlangt es der Ehrgeiz von "Dima".

Ovtcharov und sein Freund Timo Boll, der den Weltcup 2002 und 2005 gewonnen hat, steigen erst am Samstag im Achtelfinale ins Turnier ein. Es geht also ohne Vorlauf in Vorrundengruppen gleich in die Vollen. Die Chinesen Ma Long und Zhang Jike, als Nummer drei und vier in der Weltrangliste unmittelbar vor Ovtcharov platziert, sind die großen Konkurrenten der Deutschen. "Bei den beiden Chinesen gibt es normalerweise nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie sind extrem stark oder übermächtig", sagt Ovtcharov schmunzelnd, "aber vielleicht sind sie ja ausnahmsweise mal nur gut drauf." Gegen Ma Long konnte er noch nie gewinnen, gegen Zhang Jike immerhin drei der jüngsten sechs Begegnungen.

Während des Weltcups genießt Ovtcharov das vergleichsweise seltene Vergnügen, ein paar Tage am Stück zu Hause übernachten zu dürfen. "Ungefähr die Hälfte des Jahres bin ich unterwegs", sagt er, "vielleicht ein bisschen mehr." Der in Kiew geborene Athlet lebt das hektische Leben eines Weltklasseathleten. Trainieren, spielen, regenerieren. In den zurückliegenden Sommermonaten trat er - wie auch Borussia Düsseldorfs Topspieler Boll - als Gast in der chinesischen Superliga an, um sich fortzubilden. Ein paar Brocken der Sprache beherrscht er seitdem, und seinen Namen kann er in chinesischen Schriftzeichen schreiben.

Er heiratete auf Schloss Bensberg, flitterte auf den Malediven, verzichteten dafür zwei Wochen darauf, einen seiner 70 Schläger in die Hand zu nehmen ("viel zu lange"). Kurz vor der Europameisterschaft ließ er sich vier Weisheitszähne entfernen, flog aber dennoch geschwächt nach Portugal, weil er das Team nicht im Stich lassen wollte. Die Einsätze für die Nationalmannschaft und die für Fakel Gazprom Orenburg, den russischen Klub, der ihm einen wesentlichen Teil seines Auskommens sichert und dafür jährlich rund 70 Tage seine Dienste in Anspruch nimmt - das Programm hat es in sich.

Ovtcharov, der von den Olympischen Spielen vor zwei Jahren in London Bronze im Einzel- und im Teamwettbewerb mitbrachte und seit acht Jahren zur erweiterten Weltspitze zählt, ist Vollprofi. Entsprechend ernährt er sich. 2010 war er nach einer Chinareise positiv auf das verbotene Mittel Clenbuterol getestet worden. Das Dopingverfahren wurde eingestellt, weil verseuchtes Fleisch als Quelle ausgemacht wurde. Jetzt ernährt sich Dimitrij Ovtcharov bei seinen Asienaufenthalten fleischlos. Reis, Gemüse, Eier mit Tomaten und Fisch stehen dann vornehmlich auf seinem Speiseplan. Schmeckt ja auch.

(RP)
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