100 Fans sind der Fortuna in das Trainingslager ins etwa 2.000 Kilometer Oliva gefolgt"Fortuna ist echte Liebe"
Oliva (rpo). "Fortunas Anhänger sind leidensfähiger als die Fans aller anderen Clubs." Darin ist sich die sympathische Horde Besessener einig, die zu vielen Dutzenden die etwa 2000 Kilometer weite Reise ins Trainingslager ihrer Oberliga-Helden auf sich genommen hat. Bislang ist jeden Tag eine handvoll weiterer Fans auf der Anlage eingetrudelt. Am gestrigen Freitag sahen bereits 50 Düsseldorfer den Übungseinheiten zu. Am Samstag zur Partie gegen den Hamburger SV werden wohl die meisten Düsseldorfer in Oliva sein. Etwa 100 Fans in Rot-Weiß werden erwartet. Das ist eine sensationelle Zahl. Und man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass die Düsseldorfer den Hamburgern zahlenmäßig hoch überlegen sein werden. Selbst den Dortmunder Borussen folgten nur sieben Fans nach Südspanien ins Trainingslager. Fortuna-Fan Ulrich Tillmann hat am Mittwoch im Flieger von Mallorca nach Alicante neben Sebastian Kehl gesessen. Der Dortmund-Profi war mit seiner Mannschaft auf dem Rückflug nach Deutschland und schwer beeindruckt von der großen Zahl der Fans. "Wieso waren bei euch so viele und bei uns nur sieben Fans?", soll Kehl Ulrich Tillmann gefragt haben. Warum Fortuna gerade nach den vielen sportlich so frustrierenden Jahren eine so unglaubliche Fan-Kultur hat, das brachte Michael Krziwon so auf den Punkt: "In der Not sind wir enger zusammen gerückt. Während dieser Zeit ist aus der Ultra-Gemeinschaft eine echte große Familie geworden", sagt der 21-jährige Zivi, besser bekannt unter dem Namen Micka Nord.. "Mancher ist zwar nach den vielen Abstiegen gegangen. Doch der der blieb, der ist ein richtiger Anhänger. So kommt es, dass die Szene so viel Kraft hat und kreativ ist." Seit seinem neunten Lebensjahr verfolgt Micha-Nord das Schicksal der Flingerer, war erstmals beim 1:0 gegen die 96er in der Zweit-Liga-Saison 92/93 im Stadion. "Später habe ich mit dem Fußball-Spielen bei der SG Unterrath aufgehört, weil die immer parallel zur Fortuna gespielt haben." Seit fünf Jahren zählt er sich zur Szene der Ultras Düsseldorf. So wie sein Kumpel Aleks Djordjeviv (27), mit dem er oft unterwegs ist und damals auch den Fanclub Düsseldorf-Nord gegründet hat. Klar, dass die beiden Fußballverrückten am Dienstag vor dem Spiel gegen UD Oliva ein riesiges Bengalenfeuer entzündeten. "Von solchen Aktionen lebt bei uns Ultras die Begeisterung für Fußball", sagt Micka Nord. Schade fände er, dass im Falle eines Aufstieges viele solcher Aktionen verboten werden würden. "In der Oberliga ist viel möglich, was in höheren Klassen verboten ist. Das ist auch ein Grund, warum so viele 15- und 16-Jährige wieder ins Stadion kommen", so Micka Nord. "In der Bundesliga sind ja sogar kleine Fahnen verboten." "Freude an den Bengalen hatte in Oliva auch Michael Brechter. Er ist so eine Art "Manager der Szene" und will unter dem Namen des vor kurzem unter anderen von ihm gegründeten Supporters Clubs alle organisierten und unorganisierten Fans zusammenführen. Seit 1993 hat der Versicherungsagent nur zwei Fortuna-Spiele verpasst. Wie er dazu gekommen sei? "Am Anfang war für mich das Eis im Stadion interessanter als der Kick. Irgendwann hatte ich aber meine erste Fortuna-Jacke, dann habe ich plötzlich im Fanprojekt mitgearbeitet und war bei "Sitzen ist fürn Arsch" dabei." Auf der Tribüne ist er heute der "Humba", der die Gesänge der Fans koordiniert. Von ähnlich fanatischem Kaliber sind auch Andreas Hinz (34), Hubert Ronschke (42) und Dirk Deutschländer (31). Der Krefelder ist Groundhopper, sieht nicht nur möglichst viele Fortuna-Partien sondern reist quer durch Europa, um in möglichst vielen Stadien Fußball zu sehen. Am Dienstag machten sie von Oliva mal kurz einen Abstecher ins 450 Kilometer entfernte Madrid, um Real und das Santiago de Bernabeu-Stadion zu sehen. Am Donnerstag war Dirk Deutschland noch bei einem Spiel bei Betsis Sevilla. Klar, dass sie auch einen Abstecher ins Dorf Fortuna nahe Valencia machten. Hinz hat mehr als 300 Fortuna-Spiele in Folge gesehen. "Einige Beziehungen sind dadurch kaputt gegangen", gibt der Vorsitzende des ältesten Fansclubs "Fortuna-treu" zu. Und dann sagt er traurig: "Mit dem Wissen von heute, würde ich sicher manches anders machen." Für den Lierenfelder ist Oliva bereits das dritte Winter-Trainingslager, das er erlebt. Wie für Micka Nord überwiegen für ihn die guten Erinnerungen mit Fortunas Fans aus sportlich eher bescheidenen Zeiten. "Da halten eben eher alle zusammen. Außerdem sind dann wenigstens die Schön-Wetter-Fans nicht da." Eher skeptisch sieht er den momentan großen Zulauf. "Das ist zwar im Endeeffekt gut für den Verein, aber da kommen dann auch die ganzen unangenehmen Typen, die nur randalieren und zerstören wollen." Auch er sieht die Oberliga nur als Zwischenstation auf dem Weg nach oben. So schön familiär die Erlebnisse in der vierten Liga auch seien, so sehr vermisse er die "richtigen Auswärtsspiele". "In der Regionalliga kann man dann endlich mal wieder samstagmorgens um sechs losfahren zum Spiel in Aua oder Dresden." Groundhopper sind auch Hans-Peter Krug (33) und Sven Wirz vom FFC Ratingen, die mal eben nach Villareal im Spiel gegen Valladolid gefahren sind. Beim Spiel Leidensgenossen waren in den vergangenen Jahren Taxifahrer Stefan Kretzer (20) aus Nymbrecht und Stahlwerker Pierre Tolet (20), die seit der letzten Bundesliga-Saison dabei sind. Obwohl es seit dem kaum etwas zu bejubeln gab sind sie immer dabei geblieben. Im Vorjahr haben sie nur ein Spiel verpasst.. Sedrik Schade (7) ist mit seinem Vater am Donnerstag nach Madrid gestartet. Am Sonntag geht es zurück. Das i-Dötzchen hat von der Schule einen freien Tag bekommen. "Mein Lieblingsspieler ist Frank Mayer", sagt Cedrik und freut sich, dass der Stürmer im Laufe des Freitags eintrudeln soll. Ein richtiger Flingerer aus einer Fortuna-Dynastie ist Jochen Decker. Der Mann, der mit seiner Kamera Robert Niestroi bei den Dehnübungen ablichtet, ist sozusagen in dritter Generation Fortuna-Fan.. "Schon mein Opa Heinrich Giersmann war ein echter Fortune und 1895 Gründungsmitglied", sagt der Mann, der an der Ronsdorfer Strße groß geworden war. "Es ist einfach herrlich, dass die Fortuna wieder da ist", sagt er nur voller Begeisterung. Das finden auch Stefan Kretzer (20) und Pierre Tollet (20). Die beiden haben in den letzten Spielzeiten kaum eine Partie verpasst. Kretzer hat zwar schon 1986 das erste Fortuna-Spiel gesehen. Doch entflammt ist die Liebe erst während der letzten Bundesliga-Saison. Seitdem ging es mit der Mannschaft zwar ständig bergab, doch die beiden sind immer dabei geblieben. "Das ist schwer zu erklären", sagt er. Vielleicht ist es ja doch so, wie Ollie Franz (28) scherzhaft meint: "Du kannst den Beruf und deine Frau wechseln, aber nicht den Verein. Da wird man hineingeboren, bleibt in schlechten und guten Zeiten immer dabei. Fortuna ist eben echte Liebe." Von FALK JANNING