Serie Wm 2014 Bei der WM in Brasilien drohen Massenproteste

Sechste Folge: Halbfertige Stadien, mangelnde Sicherheit und große Entfernungen – die WM wird für den Gastgeber zur Herausforderung.

Düsseldorf In Grün steht es auf weißem Grund: "Ordem e progreso" – "Ordnung und Fortschritt" haben die Brasilianer sich bei ihrer Staatsgründung 1889 auf die Fahne geschrieben. Fifa-Boss Sepp Blatter allerdings verbindet Brasilien momentan wohl eher mit "Chaos und Kurzsichtigkeit". Denn was Ordnung und Fortschritt in Sachen WM-Vorbereitung angeht, ist der Fifa-Boss mit den Gastgebern alles andere als zufrieden.

Anfang Januar hatte der Schweizer gegen die Verantwortlichen in Südamerika gewettert. "Brasilien hat jetzt mitbekommen, dass sie zu spät angefangen haben. Sie sind das Land mit den meisten Verzögerungen, seit ich bei der Fifa bin." Sechs der zwölf WM-Stadien sind zurzeit noch nicht fertig.

Bis zum Eröffnungsspiel am 12. Juni bleiben noch 21 Wochen. Dann soll Gastgeber Brasilien in São Paulo gegen Kroatien spielen – in dem Stadion, bei dessen Bau es bereits einen tödlichen Unfall gab, das angeblich ohne Genehmigung hochgezogen wird und das erst Mitte April fertig werden soll.

Doch der stockende Stadienbau ist nur eines der Probleme vor der großen Fußball-Party in Südamerika. Nicht an allen Negativschlagzeilen ist dabei allerdings nur das Organisationskomitee der Brasilianer schuld. Auch die Fifa muss sich Kritik für ihre Planungen gefallen lassen.

Infrastruktur Rund drei Millionen Fans werden die Spiele in den Stadien verfolgen. Sie müssen reisen – und schlafen. Doch die Infrastruktur vor Ort ist noch mangelhaft. Flughäfen sind nur halb fertig, zum Teil müssen noch ganze Terminals schnell aus dem Boden gestampft werden, Straßen gebaut und Metrolinien erweitert werden.

Die Hotel- und Flugpreise steigen zurzeit exorbitant. Beides ist auf mangelnden Wettbewerb zurückzuführen. Die Zulassung internationaler Fluglinien für innerbrasilianische Routen durch die Regierung könnte die Preise im Flugsektor drücken, doch dafür müssten zunächst die Flughäfen fertig werden.

Proteste Nachdem Hunderttausende Brasilianer ihrem Ärger über die Verschwendung öffentlicher Gelder für die Ausrichtung der WM bereits während des Confed-Cups im Juni 2013 Luft gemacht haben, ist es zurzeit relativ ruhig auf den Straßen. Doch die Unzufriedenheit der Menschen, die vom Reichtum des Fußballs nichts abbekommen, bleibt. Protestgruppen haben bereits Demonstrationen während der WM angekündigt. Ob die Situation eskaliert, hängt davon ab, wie die Polizei mit friedlichen Demonstranten umgeht. Im vergangenen Jahr hatte sie die Proteste zum Teil brutal niedergeknüppelt.

Sicherheit Die schweren Gewalteskalationen am letzten Spieltag der brasilianischen Fußball-Liga im Dezember 2013 waren ein Image-Albtraum für die WM-Organisatoren und hinterließen die Frage nach der Sicherheit in den Stadien.

Spielorte Ottmar Hitzfeld, Schweizer Nationaltrainer, redete sich den Frust schon von der Seele: "Ich finde es fast unverantwortlich, dass man an einem solchen Ort mitten im Dschungel Fußball spielen muss", attackierte er die Fifa. Gemeint war die Tropenstadt Manaus, in der zur WM eine Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent zu erwarten ist.

Entfernungen Zwischen den Spielorten Manaus im Norden und Porto Alegre im Süden liegen rund sechs Stunden Flugzeit. Deutschland bewegt sich in der Vorrunde im vergleichsweise überschaubaren Dreieck zwischen Fortaleza, Recife und Salvador an der Küste mit Entfernungen von maximal anderthalb Stunden Flugzeit, müsste aber bei einem Gruppensieg im Achtelfinale im von der Unterkunft drei bis vier Flugstunden entfernten Porto Alegre antreten.

(RP)
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