Düsseldorf Vogts tritt als Nationaltrainer von Aserbaidschan zurück

Düsseldorf · Der Kleinenbroicher wirft seinen Spielern Mängel in der Berufseinstellung vor: "Sie denken nur an ihre Kohle und tun nichts dafür."

Der Fußball kann eine herrlich schnelllebige Angelegenheit sein. Vor nicht einmal einer Woche schien die Nationalmannschaft von Aserbaidschan zur Weltklasse aufzuschließen. Italien gelang nur mit viel Mühe ein 2:1-Erfolg in der EM-Qualifikation. Ein paar Tage darauf aber handelte sich Aserbaidschan eine 0:6-Niederlage in Kroatien ein. Und ihr Trainer Berti Vogts war über den Mangel an Einstellung derart erbost, dass er sein Amt niederlegte. "Das war Standfußball. Fußball ist ein Laufspiel, aber das haben einige Spieler nicht kapiert", erklärte der 67-Jährige, "die denken nur an ihre Kohle und tun nichts dafür. Das kann ich nicht mehr mitmachen."

Gut sechs Jahre hat Vogts als fußballerischer Entwicklungshelfer gearbeitet und das Team immerhin von Platz 147 auf 73 der Weltrangliste geführt. Zwischenzeitlich hatte er den Eindruck, dem Fußball in Aserbaidschan eine deutlich bessere öffentliche Anerkennung zu verschaffen. Im Land stehen Ringen und Schach allerdings immer noch in höherem Ansehen. Vogts versicherte: "Die Arbeit hat mir lange Spaß gemacht. Aber jetzt war der Zeitpunkt erreicht, wo es nicht mehr weitergeht."

Es passt zu Vogts, dass er nicht wegen organisatorischer Probleme im Verband, atmosphärischer Störungen oder spielerischer Schwierigkeiten die Brocken hinwirft, sondern wegen unprofessioneller Berufsauffassung der Spieler. So etwas hat ihn sein ganzes Leben zuverlässig auf die Palme gebracht. Er hat sich selbst zunächst mal mit Kampfgeist und Willen im Profifußball etabliert. Seine Zweikampfhärte trug ihm den Spitznamen "Terrier" ein. Er galt als extrem fleißig beim Training, und er war so etwas wie ein Vorzeigeprofi. Er hatte längst nicht das fußballerische Talent seiner Zeitgenossen Franz Beckenbauer und Günter Netzer. Aber er wurde trotzdem ein Weltklasse-Verteidiger.

Als Trainer hat er seinen Spielern immer zu vermitteln versucht, dass Talent allein nicht ausreicht für eine große Karriere. Viele halten ihn deshalb für humorlos und bestenfalls unerbittlich in seinen Ansprüchen an Profisportler. Für ihn ist es noch heute selbstverständlich, dass für viel Geld eine entsprechende Gegenleistung her muss. Fast alles andere lässt sich trainieren, das war und ist seine Auffassung.

Für den deutschen Fußball war er ein Glücksfall, weil er solche Tugenden als Juniorentrainer einer Generation vermittelte, die 1990 Weltmeister wurde. Er war ein Glücksfall, weil er vor 24 Jahren dem Teamchef Beckenbauer auf dem Weg zum Titel als Assistent den Rücken frei- hielt. Die öffentliche Anerkennung blieb ihm freilich weitgehend verwehrt - umso mehr, als er in Beckenbauers Nachfolge nichts von dem Glanz der deutschen Lichtgestalt hatte. Es reichte zwar zur Europameisterschaft 1996, das Verhältnis zur Öffentlichkeit blieb jedoch belastet.

Es hat sich deshalb auch nur langsam herumgesprochen, dass hinter den Fußballschulen im Land und dem Ausbildungssystem des DFB, hinter der gesamten Renaissance des deutschen Fußballs Hans-Hubert Vogts aus Kleinenbroich steckt. Es sind maßgeblich seine Konzepte, er nennt sie "Ausarbeitungen", mit denen seit zwölf Jahren der Volkssport Nummer eins renoviert wurde. Vogts hat daher auch Anteil an der Weltmeisterschaft von Rio.

Die ersten Etappen hat er in Brasilien aus der Nähe erlebt, weil er den deutschen Gruppengegner USA beraten hat. Er tat es seinem alten Schützling Jürgen Klinsmann zuliebe. Er betonte jedoch: "Ich habe mich am meisten über den Titel gefreut." Jetzt könnte er sich als rüstiger Rentner um die Verbesserung des Golf-Handicaps kümmern. Aber niemand weiß, ob ihm das auf Dauer reicht.

(pet)
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