Gegner schimpft über Skandal-Sieg von Sturm "Schaut euch sein Gesicht an und sagt mir, wer gewonnen hat"

Oberhausen · Als Felix Sturm eine Stunde nach seinem Rekordsieg die völlig abgenutzten Boxhandschuhe Fjodor Tschudinows unter die geschwollene Nase gehalten bekam, musste der frisch gekürte Weltmeister auch noch verbal einstecken. "Schaut euch sein Gesicht an und sagt mir, wer gewonnen hat", schimpfte Artur Piduriew, Trainer des am Samstag in Oberhausen entthronten russischen Ex-Champions.

Felix Sturm - Fjodor Tschudinow: Die Bilder des Kampfes
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Felix Sturm - Fjodor Tschudinow

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Das umstrittene Punkturteil im Supermittelgewichts-WM-Kampf (114:114, 115:113, 115:113) erhitzte weit nach Kampfende die Gemüter, in den Katakomben der Arena entbrannte eine mit Worten ausgetragene 13. Runde. Sturm, von zahlreichen Treffern seines Gegners mit blauen Flecken gezeichnet, konnte zwar stolz seinen gold-glänzenden WBA-Gürtel präsentieren und sich als erster deutscher Boxer für den fünften WM-Titelgewinn feiern lassen. Dennoch sah der 37-Jährige äußerlich aus wie ein Besiegter.

Für Tschudinow war Sturm genau das. "Das Resultat ist nicht fair. Ich respektiere Felix, aber ich habe nicht verloren", sagte der 28-Jährige in gebrochenem Englisch. Noch deutlicher wurde Piduriew, der gar eine Verschwörung witterte. "Deutschland ist ein gutes, großes Land, aber es ist nicht das erste Mal, dass ihr den Sport töten wollt. Ihr wollt junge Sportler zu Fall bringen", polterte Piduriew auf der lebhaften Pressekonferenz.

Tschudinow hatte die meisten der spektakulären zwölf Runden kontrolliert, nach anfänglichen Schwierigkeiten bekam er Sturms Schnelligkeit und starke Führungshand immer besser in den Griff. Auch wenn sich Sturm im Vergleich zur Niederlage im ersten Duell im Mai 2015 verbessert zeigte und bis zum Schlussgong mit viel Herz kämpfte, kam das Urteil dennoch für viele überraschend. "Es war ein knapper Kampf, Fjodor ist ein großer Fighter. Ihm gehört die Zukunft", sagte Sturm mit tief ins Gesicht gezogener schwarzer Kappe.

Frustration und Ärger im Tschudinow-Lager waren trotz der Wertschätzung grenzenlos, das Wort "Diebstahl" machte die Runde, der Wunsch nach Gerechtigkeit war allgegenwärtig. Noch im Mai, so die Forderung der Russen, solle sich Sturm einer erneuten Revanche stellen — dann aber auf vermeintlich neutralem Boden in Moskau.

Offensichtlich überrumpelt von dem Vorstoß willigte Sturm vor laufenden Kameras ein und besiegelte die mündliche Abmachung per Handschlag. "Ich habe kein Problem damit, nach Moskau zu kommen. Wenn ihr zahlt, kommen wir. Kein Problem. Ich brauche mich für nichts zu schämen", sagte Sturm, der einen Termin im Mai jedoch als "zu früh" bezeichnete.

Die spontane Zusage setzt Sturm allerdings unter Druck, eigentlich hatte der gebürtige Leverkusener noch kurz zuvor die Fortsetzung seiner Karriere offen gelassen. "Vielleicht war das mein letzter Kampf, vielleicht habe ich zum letzten Mal alles aus mir herausgeholt", sagte Sturm, der gesundheitliche Schwierigkeiten offenbarte: "Ich habe ein bisschen Probleme mit dem linken und rechten Ellbogen, eigentlich bräuchte ich eine Operation."

Doch die Reputation eines Boxers hängt von mehr ab als von Titeln oder Kampfbilanzen, Werte wie Ehre und Stolz wiegen schwer. Und so dürfte Sturm, der "erst einmal entspannen und runterkommen" will, tatsächlich in Russland nochmals in den Ring steigen. Zudem steht ein Kampf gegen WBO-Weltmeister Arthur Abraham, der am 9. April in Las Vegas auf den bislang ungeschlagenen Mexikaner Gilberto Ramirez trifft, weiter im Raum.

(seeg/sid)
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