Mayweather vs. Pacquiao Der 400 Millionen-Dollar-Irrsinn

Washington · Nie ging es bei einem Boxkampf um mehr Geld. Das Paket aus Ticketeinnahmen, Fernsehgeld und Sponsoring sprengt beim Kampf zwischen dem US-Amerikaner Mayweather und Pacquiao von den Philippinen alle Grenzen. Der "Kampf des Jahrhunderts" findet in der kommenden Nacht statt.

Es begann damit, dass Floyd Mayweather seinem Vater ausrichten ließ, erstens wolle er wieder in den Ring steigen und sich zweitens mit ihm aussöhnen. Im Dezember 2008 war das, an einem Samstagabend. Manny Pacquiao hatte den "Golden Boy" Oscar de la Hoya, den bis dahin bestverdienenden Boxer, in Las Vegas besiegt. Am Montag darauf zitierte Mayweathers Heimatzeitung in Grand Rapids, Michigan, eine Cousine des Athleten, die von dem spontan geplanten Comeback erzählte.

Jahre zuvor hatte sich Floyd junior von Floyd senior getrennt, der nicht nur sein Vater war, sondern auch sein Trainer. Der Bericht aus Grand Rapids beflügelte die Fantasie, so dass seitdem ein Gerücht über einen angeblich bevorstehenden Kampf Mayweathers gegen Pacquiao das andere jagte. Auch wenn es mit der Zeit klang, als handle es sich um das berühmte Warten auf Godot. Doch irgendwann bewahrheitete es sich, und an diesem Samstag treffen die beiden Ausnahmekönner in der MGM Grand Arena in Las Vegas tatsächlich aufeinander. Es war zu erwarten, dass die Promoter daraus den "Fight des Jahrhunderts" machen.

Mindestens seit 2002, seit dem Schwergewichtsduell Mike Tysons (USA) gegen den Briten Lennox Lewis, habe er keinen solchen Hype mehr erlebt, meint Al Bernstein, Reporter des Sportsenders ESPN. Vielleicht müsse man sogar bis in die Achtzigerjahre zurückdenken, als Boxen noch einen ganz anderen Stellenwert besaß, als im Kino die Rocky-Filme mit Sylvester Stallone die Kassenschlager waren.

Heute bringt die "New York Times" die Krise der Sportart auf die zugespitzte Zeile von der "Grabinschrift fürs Boxen", die von Jahr zu Jahr in größeren Lettern auf den Stein gemeißelt werde. Als der ukrainische Schwergewichtler Wladimir Klitschko vor einer Woche zum 18. Mal seinen Titel verteidigte, gelang es den Veranstaltern nicht, den Madison Square Garden in New York, so etwas wie die Kathedrale des Boxens, komplett zu füllen.

Mayweather gegen Pacquiao, der eine 38, der andere 36 - das Spektakel dürfte auch aus einer gewissen Verzweiflung heraus geboren worden sein. Die Branche will noch einmal groß Kasse machen, weil sie weiß, dass es auf absehbare Zeit das letzte Mal sein könnte. Das Preisgeld beträgt 300 Millionen Dollar. Und allein in Las Vegas, prophezeien Insider, dürften 100 Millionen an Sportwetten umgesetzt werden.

Was volle Aufmerksamkeit sichert, sind schon die Biografien der Athleten, die sich lesen, als stammten sie aus einem Charles-Dickens-Roman. Mayweather musste sich einst mit vier Geschwistern und den Eltern ein Schlafzimmer teilen, die Mutter war heroinsüchtig, der Vater dealte mit Drogen. Einmal, da war er noch keine zwei Jahre alt, benutzte ihn der Senior als eine Art Schild, um sich vor den Kugeln eines Onkels zu schützen. "Der schoss mir immer noch ein großes Loch ins Bein, aber ohne meinen Jungen auf dem Arm wäre es der Kopf oder die Brust gewesen", beschrieb der alte Floyd die Szene im Magazin "Rolling Stone".

Der Junior gibt heute ungeniert den "Money Man", der mit Geld nur so um sich werfen kann. Auf Instagram posiert er vor seinem Privatjet, in einer Garage voller Nobelschlitten oder aber, umgeben von dicken Bündeln von Hundert-Dollar-Scheinen, im Luxushotelbett. TMT, The Money Team, heißt seine Vertriebslinie für allerlei protzige Kappen, T-Shirts und Gürtel, mit denen sich so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Investor Warren Buffett oder der Popstar Justin Bieber zeigen. Das Magazin "Forbes" hat ihn 2014, mit 105 Millionen Dollar Jahreseinkommen, als bestbezahlten Sportler der Welt aufgelistet.

Nun ändert das ganze Gedöns ums Pekuniäre nichts daran, dass Mayweather ein herausragender Boxer ist, ein exzellenter Defensivstratege. In all seinen Kämpfen als Profi - 47 sind es - blieb er ungeschlagen. Dass er sich selbst zumindest auf einer Stufe mit Muhammad Ali und Sugar Ray Robinson sieht, hat er kürzlich in einem Interview des Sportsenders ESPN deutlich gemacht: Niemand könne ihm das Gehirn so waschen, dass er glaube, die beiden seien besser gewesen als er.

Auch über Pacquiao, 1978 geboren auf der vom Bürgerkrieg geplagten Insel Mindanao, bräuchte man in Amerika eigentlich nicht viele Worte zu verlieren. Der Pac Man, wie sie ihn nennen, ist eine Legende für sich. Aufgewachsen in einem Elendsviertel, flüchtete er von zu Hause, nachdem er einen streunenden Hund mitgebracht hatte und sein alkoholsüchtiger Vater den Vierbeiner nicht nur kochte, sondern Manny auch zwang, ihn zur Strafe zu essen.

Inzwischen ist der berühmteste Bewohner der Philippinen zweimal in den Kongress seines Landes gewählt worden, und dass er irgendwann Präsident wird, gilt in seiner Heimat als ausgemacht. "Wir mögen Manny, denn wann immer er heimkehrt, empfängt er Heerscharen hungriger Landsleute wie ein nobler König. Er zahlt ihre Rechnungen, er baut Krankenhäuser für sie", fasst die Essayistin Kerry Howley zusammen, welche Faszination Pacquiao mit seiner Story auf Amerikaner ausübt.

Die Live-Übertragung läuft im Pay-per-View-Verfahren (Sonntag, ab 2.30 Uhr MESZ). Sehen können sie nur Kunden des Pay-TV-Senders Sky, die zusätzlich 30 Euro zahlen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort