Box-Trainer Sdunek stellt Autobiografie vor "Glucke Fritz" — Der zweite Papa der Klitschkos

Berlin · Fritz Sdunek hat sich an eine Boxbirne gehängt, die von der Decke baumelt. Er scheint sie zeicheln, während er sie umklammert. Sein Blick ist auf einen Riesen gerichtet, der mit enormer Wucht einen Sandsack verprügelt. Der Riese keucht, Fritz Sdunek lächelt. Er ist zufrieden mit dem, was er geschaffen hat. Der Boxer Witali Klitschko ist sein größtes Weu strrk.

 Box-Trainer Fritz Sdunek hat seine Autobiografie vorgestellt.

Box-Trainer Fritz Sdunek hat seine Autobiografie vorgestellt.

Foto: ddp, ddp

Sdunek ist einer der erfolgreichsten Box-Trainer der Welt, er formte 14 Boxer zu Weltmeistern, er stand bei über 100 Titel-Kämpfen in der Ringecke, er arbeitete mit Wladimir Klitschko, Dariusz Michalczewski oder Ralf Rocchigiani. Aber über keinen seiner Sportler spricht Sdunek mit so viel Anerkennung wie über Witali Klitschko. "Er ist eine Ausnahmeerscheinung und das beste Beispiel dafür, dass eiserner Wille und starker Charakter mangelhafte Technik mehr als wettmachen können", sagt Sdunek, "sein roboterhafter Stil lässt viele glauben, dass er langsam und unbeweglich ist. Umso überraschter sind sie dann, wenn sie ihm im Ring gegenüberstehen."

Klitschko ist das Produkt seines Trainers. Aus dem ukrainischen Niemand, der gemeinsam mit seinem kleinen Bruder Wladimir 1996 in der Trainingshalle von Sdunek aufkreuzte, machte dieser eine bestimmende Figur im Schwergewicht. Doch so würde Sdunek das niemals sagen. Der 64-Jährige macht sich gerne kleiner, als er ist. Selbst bei der Präsentation seiner Autobiografie "Durchgeboxt - mein Leben am Ring" am Montag in Berlin war es ihm fast peinlich, im Mittelpunkt zu stehen.

Sdunek ist der Star hinter den Stars. Und gleichzeitig der Gegenentwurf zur Glamour-Welt des Berufsboxens. Sdunek, 1947 in Mecklenburg-Vorpommern geboren, stammt aus einfachen Verhältnissen und hat sein Leben lang mit dem Boxen und den Boxern zu tun gehabt. Erst selber im Ring, als er sich als mittelmäßiger Amateur versuchte. Dann lernte er Traktorenschlosser, später machte er sein Trainerdiplom.

Immer war es das Boxen, das seinem Leben Struktur gab. Er war einer der Bundestrainer der DDR-Staatsamateure, holte 1988 mit Andreas Zülow olympisches Gold. Dann fiel die Mauer und mit ihr die Sicherheit im alten System. "Ich habe Reisen machen dürfen, von denen normale DDR-Bürger nur träumen durften", sagt Sdunek, "zu meiner Geschichte gehört aber auch der Rückblick auf die Überwachungsmethoden der Stasi und die politische Dimension unserer Arbeit."

Nach einer Phase der Unsicherheit kommt Sdunek 1994 endgültig im Kapitalismus an und wird Trainer im Hamburger Universum-Stall. Doch seine Methoden ändert er im neuen System nicht. Er bleibt das akribische Arbeitstier mit hoher Sensibilität für jeden Boxer. Er stärkt ihre Stärken. "Ich muss auf den Boxer eingehen, nicht der Boxer auf mich", sagt Sdunek. Und seine Jungs danken es ihm. Einige nennen ihn anerkennend "Glucke Fritz". Witali Klitschko sagt über seinen Trainer: "Er ist mein zweiter Papa. Ohne Fritz hätte ich es nie geschafft, so erfolgreich zu werden."

Doch auch zu seinen anderen Boxern pflegte Sdunek besondere Beziehungen. Michalczewski griff er vor einem Kampf in die Hose, um dem "Tiger" beim Wasserlassen zu helfen. Rocchigiani schaute er in einer Kneipe stundenlang über die Schulter, als er 27.000 Mark beim Kartenspielen gewann. Außerdem gibt Sdunek in seinem Buch Intimstes preis. Er verrät, wie seine Ehe mit Carola fast zerbrach, nachdem er eine Affäre und einen unehelichen Sohn jahrelang verheimlicht hatte.
Nicht allen in der Familie haben diese Passagen gefallen.

Pausen oder Urlaub kannte Sdunek lange nicht, 14-Stunden-Tage waren keine Seltenheit. Doch 2007 hat sich das schlagartig geändert. Herzprobleme und eine Krebserkrankung machten ihm zu schaffen, er hat zwei neue Hüftgelenke. In den schwärzesten Stunden hat er sich sogar überlegt, wie er sein Leben schnell beenden könnte. Seitdem tritt er kürzer, trainiert nur noch Witali Klitschko und Felix Sturm. Sdunek sagt: "Im Buch gibt es einige, die vermuten, dass ich am Ring sterben werde. Ich wünsche mir das nicht - aber wenn es passieren sollte, wäre es auch nicht der schlechteste Weg." Ein Leben ohne Boxen kann er sich jedenfalls nicht vorstellen.

(sid)
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