Boxen Abschied vom letzten Quotenbringer

Dortmund · Marco Huck ist im Kampf um die WBC-Weltmeisterschaft im Cruisergewicht gegen den Letten Mairis Briedis chancenlos. Das deutsche Boxen hängt in den Seilen. Die letzte Hoffnung heißt Tyron Zeuge.

Marco Huch - Mairis Bridis: die Bilder des Kampfes
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Marco Huck - Mairis Briedis

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Foto: dpa, gki vge

Gnadenlos! Mit diesem Motto warb Marco Huck für seinen Titelkampf gegen Mairis Briedis. Es sollte ein großer Kampf werden. Der 32 Jahre alte gebürtige Serbe mit deutschem Pass wollte sich in der Weltspitze zurückmelden. Doch er enttäuschte auf ganzer Linie in einem entsetzlich einseitigen Kampf. Gnadenlos? Chancenlos!

Einiges war wie zu den guten, alten Zeiten vor mehr als einem Vierteljahrhundert. In der ersten Reihe am Ring saß Ex-Promoter Ebby Thust mit getönter Brille im grauen Anzug mit rosa Strunztüchelchen. Natürlich ein paar Pfund schwerer als in den 90er Jahren, aber er wird auch Ende des Jahres 70. Herzlich umarmte er Rene Weller, der mit seinen 63 Jahren noch immer drahtig ist. Beide waren Box-Größen, Thust im finanziellen, Weller im sportlichen Bereich.

Ebenfalls in Reihe eins Hans-Joachim Watzke, der Macher von Borussia Dortmund. Er ist heutzutage einer der Trendsetter, weiß, wie das Geschäft läuft. Nach dem Fußball-Derby auf Schalke ist er sofort in die Westfalenhalle gefahren. Die Kämpfe verfolgte er regungslos, ein Pflichttermin, wenngleich er womöglich Interesse verspürt. Aber Profi Watzke weiß, was er 3,17 Millionen Zuschauern vor den Fernsehern zu sagen hat - dass er enttäuscht, aber sehr beeindruckt war von dem Kampf.

Lettische Fans dominieren in der Halle

Begeistert waren nur die fast 2000 lettischen Fans, die die Halle von Beginn an akustisch ebenso deutlich dominierten wie ihr Idol Briedis den Kampf. Die Älteren unter den Zuschauern sehnten sich nach den 90er Jahren, als der Schwarzmarkt blühte, wenn Henry Maske, Graciano Rocchigiani, Sven Ottke und andere in den Ring stiegen und RTL damals für sich den Boxsport entdeckte. Damals gab es sie noch, die Zugpferde, die Quotenbringer.

Am Samstag hat sich der letzte verabschiedet - mit einer enttäuschenden Leistung. Marco Huck war seinem Kontrahenten Mairis Briedis in allen Belangen deutlich unterlegen. Der 31 Jahre alte Polizist aus Riga war der klar bessere Boxer, glänzte strategisch und dominierte selbstbewusst nach Belieben. Dass er sich nach dem Sieg ins Krankenhaus begab, um eine herausgesprungene Rippe einrenken zu lassen, schmerzte ihn, dürfte aber schon bald vergessen sein.

Huck hingegen wirkte planlos, ihm fehlte das notwendige Selbstbewusstsein, um für den Letten wenigstens ein Gegner auf Augenhöhe zu sein. "Ich war körperlich überlegen", so Hucks Selbsteinschätzung, als er schwer gezeichnet um 1.05 Uhr vor die Presse trat. Den weiteren Fehleinschätzungen, es sei ein Kampf auf allerhöchstem Niveau und einer auf Augenhöhe gewesen, folgte immerhin das Geständnis: "Aber ich kam nicht zum Zug. Meine berühmten Aktionen haben heute gefehlt."

Hucks Leistungskurve zeigt seit seiner Trennung vom Sauerland-Stall 2014 kontinuierlich nach unten. Dem nicht gerade als trainingsfleißig bekannten Huck fehlt Trainer Uli Wegener, die harte Hand, die ihn zum Erfolg führt. Für den jetzigen Trainer Oktay Urkal, dessen Anweisungen ("sei mutiger, trau dir mehr zu") Huck zwar hörte, aber nicht befolgte, war es wahrscheinlich der letzte Kampf in dieser Ecke. Huck aber will weitermachen: "Ich bin zu jung, um aufzuhören. Ich bin ein wahrer Krieger."

Huck ist zwar nicht K.o. gegangen, aber das deutsche Boxen liegt nach seiner krachenden Niederlage schwer getroffen nun am Boden. Felix Sturm, Arthur Abraham, Jürgen Brähmer - Namen der jüngeren Vergangenheit. Wer bleibt? Einzig Tyron Zeuge. Der 24-Jährige wurde 2012 vom Sauerland-Stall unter Vertrag genommen und ist WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht - der zweitjüngste Weltmeister nach Graciano Rocchigiani und letzte Hoffnungsträger des deutschen Boxsports.

(ths)
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