Ali besiegt Foreman in Kinshasa Der größte Boxkampf der Geschichte

Frankfurt · Am Donnerstag vor 40 Jahren schickte Muhammad Ali in Kinshasa George Foreman auf die Bretter. Der Kampf der beiden Legenden gilt bis heute als der größte Boxkampf der Geschichte. Unser Autor war dabei.

Rumble in the Jungle: Muhammad Ali gegen George Foreman
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Der legendäre "Rumble in the Jungle"

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Foto: dpa, hrad jai nic

Der Größte ist ein schwer kranker Mann. Muhammad Ali (72) kann wegen seiner Parkison-Krankheit kaum noch sprechen. Vor 40 Jahren gewann er seinen größten Kampf, der als "Rumble in the Jungle" von Kinshasa in die Geschichte einging. Das Boxereignis hält am 30. Oktober 1974, morgens um vier Uhr im "Stade du 20 Mai" in der Hauptstadt Zaires die Welt in Atem.

Der charismatische Muhammad Ali, damals 32 Jahre alt, schlägt in einer feuchtheißen afrikanischen Tropennacht den für unbesiegbar gehaltenen George Foreman, 25, in der 8. Runde k.o. und wird siebeneinhalb Jahre nach seiner Verbannung vom Ring wegen Wehrdienstverweigerung wieder Weltmeister im Schwergewicht.

Treffpunkt mit den Kollegen ist das International Terminal London Heathrow. Reg Gutteridge vom "Evening Standard" bringt zum Abflug nach Kinshasa die schlechte Nachricht mit: "Foreman hat im Sparring eine Platzwunde über dem rechten Auge erlitten." Der Kampf in einer Woche, am 25. September, muss verschoben werden. Wir fliegen dennoch.

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Auf der Taxifahrt vom Flughafen N'Djili in die schmuddelige Stadt mit ihren wenigen Hochhäusern, die auf Slumhütten herabblicken, künden grün-gelbe Tafeln entlang der staubigen Hauptstraße vom "Jahrhundertkampf als Geschenk des Bürger-Präsidenten Mobutu Sese Seko an das zairische Volk". Foreman will zur Behandlung der Verletzung nach Paris fliegen. Der selbstherrliche Diktator mit der Leopardenfellmütze lässt dessen Reisepass beschlagnahmen.

Don King, ein schwarzer Ex-Häftling aus Cleveland, Ohio, mit einer wie unter Strom zu Berge stehenden Afro-Frisur, verurteilt wegen Totschlags, hatte die beiden Boxer mit je fünf Millionen Dollar, den höchsten Börsen der Boxgeschichte geködert. Der geltungssüchtige Despot garantierte die zehn Millionen Dollar und ließ für die gleiche Summe das marode Stadion fernsehgerecht umbauen.

Ali wohnt in einem weißen Bungalow direkt am Kongo. Die Tür scheint für jedermann offen. Foremans Villa auf einem Hügel ist hingegen hermetisch abgeriegelt. Foreman kommt in blauer Latzhose zur Pressekonferenz. Sein kolossaler Oberkörper ist nackt. An der Leine führt er seinen Schäferhund "Pasha". Unter einer poppigen Schirmmütze klebt ein winziges Pflaster. "Ich allein entscheide, wann der Kampf stattfindet", teilt Foreman mit. Die Reporterschar fliegt wieder nach Hause. Das neue Datum: 30. Oktober, vor dem ersten Hahnenschrei. Trotz Regenzeit.

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Foto: Ali

Ein überraschender Anruf aus London zitiert mich nach Paris. Mobutu hat einen Jet der Air Zaire nach New York geschickt, um den amerikanischen Medien-Tross abzuholen. Bei der Zwischenlandung sollen die Engländer zusteigen. Da ich als einziger deutsche Reporter zur englischen Reisegesellschaft gehörte, die vergebens nach Afrika geflogen war, bin ich jetzt mit von der Freiflug-Partie.

Muhammad Ali ist glücklich über die Rückkehr der Journalisten nach fünf Wochen quälender Langeweile. Der Entertainer braucht Publikum für sein Training, seine Tiraden, seine Shows, seine Reime. "When all is said and did and done, George Foreman will fall in one." Training ohne Presse ist für Ali wie Gottesdienst ohne Gemeinde. Vor lauter Langeweile, scherzt sein Trainer Angelo Dundee, habe er versucht, Eidechsen Liegestütze beizubringen. Auch den Reportern ist es zu langweilig. Sie ziehen alle in die Stadt.

Ali lädt mich in seinen weißen Flachbau ein. Wir kennen uns seit seinem Kampf gegen Karl Mildenberger in Frankfurt im September 1966. Zusammen sitzen wir auf einem hellbraunen Ledersofa im Wohnzimmer. Natürlich weiß er, dass der Hüne aus Houston der erklärte Favorit der Medien ist. Das "Monster" hat Joe Frazier und Ken Norton, beide Punktsieger über Ali, jeweils in der 2. Runde k.o. geschlagen. "Ihr lasst euch beeindrucken, weil er so groß ist, seine Muskeln so mächtig sind, er so hart auf den schweren Sandsack eindrischt. Ich werde die ganze Nacht tanzen."

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Auf den Tanz im Ring unter einem blauen Blechdach wartet in dieser schwülen Tropennacht bei über dreißig Grad und neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit die ganze Welt vergeblich. "Sports Illustrated" wählt später die Titelzeile: "How Ali fooled them all" - Wie Ali alle zum Narren hielt. Denn Ali tanzt nicht, sondern steht sieben Runden lang am Seil, lehnt sich weit zurück, die Ellenbogen an den Rippen, die Fäuste am Kopf, zwischen den Schutzschilden weit aufgerissene Augen.

Die völlig neue Seiltaktik nennt Ali "rope a dope". Wie ein Roboter drischt Foreman sinn- und pausenlos auf Ali ein. Doch der absorbiert die härtesten Hiebe und höhnt: "Das sind ja nur Tupfer. Sissy Punches. Du hast nichts drauf. Nimm dir Zeit, sonst wirst du müde." In den Rundenpausen dirigiert Ali die Schlachtgesänge der geschätzten 40.000 im Stadion: "Ali, boma ye".

In der ersten Tischreihe am Ring sitze ich unter den Champions der Sprache: Norman Mailer, der wortgewaltigste unter den Schriftstellern, die den Boxsport lieben und der 250 Seiten bester Literatur über das Drama schreiben wird: "The Fight". Der Kampf. Ferner Budd Schulberg, Autor der verfilmten Romane "The harder they fall" (mit Humphrey Bogart als korrupten Boxreporter) und "On the Waterfront" (mit Marlon Brando) sowie George Plimpton, die brillante Feder von "Sports Illustrated".

Gegen Ende der achten Runde verlässt Ali die Seile und schlägt den ermatteten und ratlosen Foreman nach einer Serie von Treffern mit einer finalen Rechten zum Kinn k.o. Einen Sekundenbruchteil nach dem "Aus" von Ringrichter Zack Clayton steht der Koloss wieder auf den Beinen, guckt verdattert, ist aber restlos erledigt.

Später im Hotel tippe ich die Sätze in die Schreibmaschine: "Ali schwebte nicht wie ein Schmetterling und stach nicht wie eine Biene, was bisher sein Gütezeichen war. Er stand in dieser heißen afrikanischen Nacht wie ein Fels und schlug wie ein Pferd."

(RP)
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