Timo Rost vor erstem Profikampf Der bürgerliche Boxer

Düsseldorf · Timo Rost bestreitet am Samstag in der Wuppertaler Uni-Halle seinen ersten Profikampf. Der Supermittelgewichtler aus Düsseldorf ist Faustkämpfer aus Leidenschaft und widerspricht als Master-Student jedem Klischee.

 Boxer Timo Rost sitzt im Ring.

Boxer Timo Rost sitzt im Ring.

Foto: Michael Wandrey

Timo Rost ist der Gegenentwurf zum Klischee-Boxer. Der Düsseldorfer hat keine Vorstrafen, keine Verbindung zum Milieu, ist nach dem Realschulabschluss aufs Lessing-Gymnasium gewechselt, hat dort ein Zweier-Abitur und später an der Uni Bochum seinen Bachelor in Sportwissenschaft gemacht. Jetzt steht er sogar vor dem Master in Gesundheits- und Bewegungswissenschaft an der Uni Wuppertal. Zudem baut er mit seiner Freundin gerade ein Haus. Eine gutbürgerliche Geschichte also - was treibt so jemanden in den Ring?

"Die Leidenschaft fürs Boxen", sagt der 26-Jährige. "Boxen war immer das, was ich machen wollte." Rost wollte es, und er tat es. Sehr beharrlich sogar: Am Samstag bestreitet er in der Wuppertaler Uni-Halle seinen ersten Profikampf, im Supermittelgewicht gegen den Essener Dominik Tietz. Der Rahmen für das Debüt ist nicht zufällig gewählt. "Veranstalter ist Werner Kreiskott", berichtet Rost. "Er bestreitet am Samstag selbst seinen letzten Profikampf, und seine Boxabende sind die besten und seriösesten in NRW."

Rost, Trainer Rüdiger May und Promoter Uwe Betker haben lange auf diesen Tag hingearbeitet. Ein spätes Profidebüt sei es nicht, meint Rost. "Ich halte Mitte zwanzig für das beste Alter für den Einstieg. Viele andere haben es ähnlich gemacht. Natürlich gibt es auch andere Karriereplanungen", berichtet er. "Mein Gegner ist etwas jünger, aber in seiner Vita stehen schon 13 Profikämpfe. Dafür hat er überhaupt keine Amateur-Erfahrung." Die hingegen weist der Mann aus dem idyllischen Stadtteil Gerresheim hinreichend auf. Vor einem Jahrzehnt, mit 16, stand er das erste Mal im Ring, es folgten 75 weitere Kämpfe. "Vielleicht auch 76", sagt er grinsend, "genau weiß ich es nicht mehr."

Längst nicht alle hat Rost gewonnen. "Die ersten schon", erinnert er sich. "Dann, nach dem Aufstieg in die freie Klasse, kamen fünf, sechs Niederlagen. Da hieß es in meinem Umfeld: ,Hör bloß auf, du wirst sowieso kein Großer.' Aber aufgeben war keine Option." Weil Boxen eben seine Leidenschaft ist. Auch wenn der erste Versuch seines Vaters, den elfjährigen Timo zum Training mitzunehmen, kläglich scheiterte. "Mit elf war Boxen eben noch nicht cool", sagt er, "mit 15 dann schon." Zu jener Zeit wurde die Familie Rost auf einen unbezahlten Mitgliedsbeitrag beim TuS hingewiesen, "und da merkten wir erst, dass mein Vater vergessen hatte, mich abzumelden. Da bin ich noch einmal hingegangen und habe Feuer gefangen."

Alle möglichen Sportarten hatte Rost probiert. Leichtathletik, Judo, Tennis, Schwimmen, Fußball. Alles ganz nett, befand er, aber nicht das Richtige. Und Fußball taugte ohnehin eher passiv - als glühender Fan von Fortuna Düsseldorf, für die ihn sein Stiefvater schon als kleinen Jungen begeisterte. Die vergessene Rechnung zeigte endlich den Weg als Aktiver. "Schon im fünften Schuljahr hatte ich beim Kennenlern-Interview meiner Mitschülerin gesagt, ich wolle Profisportler werden", berichtet er. "Mit 15 war klar, dass es im Boxen passieren musste."

Seine sportliche Krise als junger Amateur meisterte er dank seiner Beharrlichkeit. Und vor allem, weil er durch den studienbedingten Wechsel nach Dortmund den richtigen Trainer fand: Walter Broll. Mit ihm wurde Rost Westfalenmeister, NRW-Meister, deutscher Hochschulmeister und Dritter bei der deutschen Meisterschaft. Das brachte ihn als ersten Deutschen seit vielen Jahren zur Hochschul-WM nach Thailand. "Ich wurde Fünfter, obwohl wesentlich mehr drin war", erklärt er. "Aber es war eine tolle Erfahrung, die mich weitergebracht hat."

So wie der Wechsel in den Kölner Profi-Boxstall Rüdiger Mays. Mit dem früheren Profi, zu dem Freund und Berater Betker den Kontakt herstellte, stimmte sofort die Chemie - obwohl es lukrativere Angebote für Rost gab, die ihm aber nicht seriös genug erschienen. Da war er eben wieder, der Klischee-Gegenentwurf. May baute Rost sukzessive auf, zeigte ihm, wie wichtig der Kopf im Boxen ist. "In den ersten Wochen habe ich mich gefühlt wie in einem Psychologie-Seminar", erzählt der 26Jährige, und er kann das beurteilen: Seine Bachelor-Arbeit schrieb er über Sportpsychologie im Amateurboxen.

Der Master-Abschluss muss noch ein bisschen warten. Erst einmal sucht Rost seine Chance im Profiring, und seine Mutter wird wie bei jedem Kampf eine Kerze für ihn anzünden. Anfangs war es die Taufkerze, aber die ist inzwischen aufgebraucht. Zudem werden ihn in Wuppertal viele Gerresheimer unterstützen. "Allein schon 220 aus der T-Bar, in der ich lange gekellnert habe", berichtet er schmunzelnd. "Viele sind am Mittag beim Fortuna-Spiel in Bielefeld dabei und kommen dann zu meinem Kampf rüber." Druck verspüre er keinen, sagt Rost, nur große Vorfreude. "Weil Boxen einfach großartig ist", sagt er. "Es ist Genuss. Jeder Kampf, jedes Training, jede Schweißperle." Von all dem soll es noch viel geben in Timo Rosts Profikarriere.

(jol)
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