WM-Kampf Klitschko will Fäuste sprechen lassen

Köln · Wladimir Klitschko geht zuversichtlich in den WM-Kampf gegen Anthony Joshua. Es ist seine Chance, auf den Schwergewichts-Thron zurückzukehren.

Wembley: Pressekonferenz mit Anthony Joshua und Wladimir Klitschko
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Klitschko und Joshua im Wembley-Stadion

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Foto: dpa, ar ss

Wladimir Klitschko dreht sich auf einem bemitleidenswerten grauen Sessel hin und her. Es quietscht. Der langjährige Schwergewichts-Weltmeister hat Zeit, er redet und redet, über die Philosophie des Boxens, über Platon und Pythagoras. Nur ganz am Ende, die Ansage "letzte Frage!" ist schon länger her, wird er wortkarg und schaut ein klein wenig finster. "Nächste Frage", brummt er, steht auf - und geht.

Klitschko ist bessesen vom Wettkampf

Wladimir Klitschko ist 40, er wird zum Megafight gegen Anthony Joshua im April 41 sein, und er bezeichnet sich selbst als Menschen, der ohne Wettkampf kaum leben kann: "Ich bin dann nicht ich. Ich bin besessen." Wohl auch deshalb ist diese Frage nach dem Ende einer langen wie erfolgreichen Karriere die unangenehmste, die man ihm stellen kann. Sie kann bei diesem stets freundlichen und wortgewandten Riesen, der jeden mit Faust-gegen-Faust begrüßt hat, gesprächsbeendende Wirkung haben.

Wladimir Klitschko taucht wieder ein in den Tunnel vor dem Kampf. Er wird am 29. April (22.00 Uhr/RTL) vor der Rekordkulisse von 90.000 im Londoner Wembleystadion der Herausforderer sein, das ist mal ungewohnt. Sein Gegner, ein Brite, ist 13 Jahre jünger, und er kann seine gewaltigen Rückenmuskeln derart spreizen, dass er wie eine Kobra aussieht.

Klitschko gefällt besonders, dass dieser Anthony Joshua kein asozialer Proll ist, kein Straßenschläger, wie es sein Albtraum Tyson Fury war. "Es ist schade, zu sehen, dass der Boxsport teilweise auf ein Niveau der Primitivität runtergerutscht ist", klagt Klitschko auf dem Pressetermin in Köln. "Pythagoras, Platon, Jack London und Nelson Mandela waren mit dem Boxen verbunden. Sie haben bewiesen, dass Boxen auch Intelligenz ist und nicht nur Pöbelei."

Das übliche Ballyhoo inklusive Beleidigungen sämtlicher Familienangehöriger samt Haustieren wäre gut für die TV-Quote. Aber das gibt es diesmal nicht. Von Klitschko, dem Doktor der Sportwissenschaft mit dem Promotionsthema "Pädagogische Kontrolle im Sport", gab es große Sprüche nie.

"Man kann viel reden", sagt Klitschko, "aber die wahren Worte werden mit Fäusten gesprochen. Und Fäuste lügen nicht." Seinen Antrieb zieht er aus der schlimmen Niederlage gegen Fury, der ihm 2015 vogelwild drei WM-Gürtel raubte und auf seinem Ego herumtrampelte.

Joshuas K.o.-Quote liegt bei 100 Prozent

"Ohne diese Niederlage wäre ich nicht hier. Ich will noch mal beweisen, dass ich nicht umsonst so lange so erfolgreich war", sagt er. Fury hat die Titel inzwischen niedergelegt, nachdem er positiv auf Kokain getestet worden war. Joshua ist IBF-Champion, seine K.o.-Quote: 100 Prozent.

Klitschko kennt seinen Gegner bestens: Er konnte ihn studieren, ohne zu ahnen, dass es zwischen beiden später zur Sache gehen würde. Er hat sich mit dem 27-Jährigen auf seinen WM-Kampf im November 2014 gegen Kubrat Pulew vorbereitet.

"Ich hatte ihn im Olympia-Finale 2012 gesehen", berichtet Klitschko. Er war damals angemessen beeindruckt: "Ich habe noch nie einen so aufgepumpten Amateurboxer gesehen wie ihn. Er ist unglaublich stark", berichtet er.

In der Tat: Wenn Joshua, der eloquente, Schach spielende Sohn nigerianischer Eltern, unbewusst einen Oberarm-Muskel zucken lässt, möchte man nicht sein T-Shirt sein.

Klitschko sagt, er kämpfe gegen eine Kopie seiner selbst: Größe, Armlänge, Schlagkraft sind fast identisch. Der gewaltige Unterschied liegt in der Erfahrung: Der Kampf um Wembley wird Joshuas 19. Profikampf sein - Klitschko hat allein mehr WM-Fights.

Der 69. Profikampf soll ihn zurück auf den Thron führen. Was dann sein wird? "Nächste Frage."

(sid)
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