Erstmals Haft für Sünder möglich Bundestag beschließt scharfes Anti-Doping-Gesetz

Berlin · Das jahrelange Ringen um ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz in Deutschland hat ein Ende. Vor dem Hintergrund des aktuellen Skandals in der russischen Leichtathletik beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Großen Koalition einen entsprechenden Gesetzentwurf – erstmals drohen dopenden Sportlern strafrechtliche Sanktionen bis hin zu Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Hintermänner müssen in besonders schweren Fällen sogar mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen.

Olympia: Die Dopingfälle bei Sommerspielen
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Foto: dpa, Patrick Seeger

Das jahrelange Ringen um ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz in Deutschland hat ein Ende. Vor dem Hintergrund des aktuellen Skandals in der russischen Leichtathletik beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Großen Koalition einen entsprechenden Gesetzentwurf — erstmals drohen dopenden Sportlern strafrechtliche Sanktionen bis hin zu Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Hintermänner müssen in besonders schweren Fällen sogar mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen.

"Das ist ein sportpolitisch historischer Tag. Der Kampf gegen Doping wird zu einem Fall für den Staatsanwalt. Gerade mit Blick auf die aktuelle Lage in Russland scheint das Problem nicht kleiner, sondern größer zu werden", sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD): "Chancengleichheit bekommt man nicht durch Nachsicht. Wir müssen den Teufelskreis aus Doping und Betrug stoppen. Dieses Gesetz wird den Sport sauberer machen."

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik an dem Gesetz gegeben, unter anderem von Sportlern und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Der organisierte Sport hatte sich vor allem vehement gegen die im Gesetz enthaltene "uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit" gestellt. Das heißt, schon der Fund einer einzigen Tablette oder Pille eines Dopingmittels hätte Konsequenzen.

Allerdings wurde das Gesetz im Vergleich zur ursprünglichen Fassung in diesem Punkt noch entschärft. Dem Sportler muss nachgewiesen werden, dass der Besitz verbotener Mittel auch der Dopingabsicht diente. "Wir greifen damit die Sorge einiger Sportler auf, die sich davor fürchten, straffällig zu werden, weil ihnen jemand unbemerkt ein Dopingmittel in die Tasche untergeschoben hat", sagte Maas. Diese Befürchtung hatte unter anderem Diskus-Olympiasieger Robert Harting geäußert.

Widerstand aus der Opposition

Widerstand kam im Bundestag aus den Reihen der Opposition. "Wir sollten Abstand davon nehmen, eine einseitige Kriminalisierung von Sportlern vorzunehmen", sagte Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen: "Der Griff zum Strafrecht sollte das letzte Mittel sein." Seine Fraktion stimmte gegen das Gesetz, die Fraktion Die Linke enthielt sich.

Auch Harting gab zu bedenken: "Es darf natürlich nicht dazu führen, dass saubere Athleten einmal mehr eine Manschette umbekommen. Nach der Sportgerichtsbarkeit, der Technologie, bekommen wir jetzt noch eine strafrechtliche Manschette. Die Luft zum Atmen ist irgendwann nicht mehr da."

Die Befürworter verwiesen dagegen mehrfach darauf, dass dem Sport selbst die erforderlichen Maßnahmen fehlen - erneut mit dem Blick auf den Dopingskandal in der Leichtathletik. "Wollen wir denn wirklich weiterhin tatenlos zusehen, wie Betrüger — ob als Aktive oder korrupte Funktionäre - dem Sport schaden und ihn vor die Hunde gehen lassen", fragte die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD): "Das Gesetz ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein."

Dem gemeinsam von den Ministerien des Inneren, der Justiz und der Gesundheit erarbeiteten Gesetz muss Ende November noch der Bundesrat zustimmen, dies gilt jedoch nur als Formsache. In Kraft treten soll es Anfang 2016. Nach fünf Jahren soll es noch einmal evaluiert werden.

Für Bundesinnenminister Thomas de Maiziere ist das verabschiedete Anti-Doping-Gesetz im Kampf gegen Sportbetrüger ein großer Schritt nach vorn. "Wir erhoffen uns von dem neuen Gesetz eine erhebliche Wirkung. Es soll abschrecken und gleichzeitig bei der Aufdeckung von kriminellen Doping-Strukturen helfen", erklärte der CDU-Politiker im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich betonte er: "Ich möchte aber nicht alle Leistungssportler zu potenziellen Dopern machen. Das wäre ungerecht." Nach der Zustimmung im Bundesrat könnte das Gesetz noch zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.

Obwohl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) große Bedenken gegen das Anti-Doping-Gesetz hat, sei es keines gegen den organisierten Sport, betonte de Maziere. "Nein! Im Gegenteil: Das Gesetz soll den organisierten Sport in seinen Bemühungen gegen Doping unterstützen", sagte er. Das Gesetz werde helfen, organisierte kriminelle Dopingstrukturen im Sport aufzudecken und zu zerschlagen. "Das Gesetz schützt gerade die sauberen Sportler und die Integrität des Sportes. In diesem Ziel sind wir uns mit dem DOSB völlig einig."

Auch im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Berichtes der unabhängigen Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zu einem System des Dopings in Russlands Leichtathletik würde das deutsche Gesetz ein Zeichen setzen. "Das Gesetz ist eine klare Positionierung Deutschlands, Doping im Sport wie bisher klar zu ächten und hiergegen mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln konsequent vorzugehen", erklärte de Maiziere. Bereits jetzt würden andere Staaten sich für das deutsche Gesetz interessieren. "Sollte unser Gesetz Nachahmung finden, würde mich das freuen."

De Maiziere erwartet, dass aus dem Report der Wada-Kommission, die auch eine Suspendierung des russischen Leichtathletik durch den Weltverband IAAF fordert, die richtigen Konsequenzen gezogen werden. "Sowohl die IAAF als auch das IOC werden in ihrer Autonomie die richtigen Entscheidungen treffen, um dafür zu sorgen, dass weiter und effektiver als bisher gegen das internationale Doping in der Leichtathletik vorgegangen wird", sagte der Minister. "Die sauberen Sportler und wir Sportbegeisterten werden es danken!"

(seeg/sid/dpa)
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