Hamburg/Leverkusen Calhanoglus schwerer Besuch beim HSV

Hamburg/Leverkusen · Bayer-04-Mittelfeldspieler Hakan Calhanoglu muss bei seiner Rückkehr nach Hamburg mit einem wenig herzlichen Empfang rechnen. Viel schlechter hätte sein Abschied vom HSV für den Neu-Leverkusener nicht laufen können.

Schnell sendete Hakan Calhanoglu per Twitter noch ein Foto aus dem Flugzeug. Der Mittelfeldspieler von Bayer 04 machte sich mit seinen Teamkollegen auf den Weg zum Bundesliga-Gastspiel in Hamburg (heute: 15.30 Uhr/Sky). Zu dem Bild, das neben ihm auch seine Mitspieler Heung-Min Son und Karim Bellarabi zeigt, schrieb Calhanoglu: "fly to hamburg. big game", was sinngemäß auf deutsch heißt: Flug nach Hamburg zum großen Spiel. Der frühere Jungstar des Hamburger SV ist wegen seines Wechsel-Theaters in der Hansestadt in Ungnade gefallen. Sein neuer Arbeitgeber Bayer Leverkusen ist vor dem brisanten Duell beim Hamburger SV aber um Normalität bemüht. "Hakan ist in der Lage, mit schwierigen Situationen umzugehen. Der wird auf den Platz gehen und ein gutes Spiel machen", prophezeite Bayer-Trainer Roger Schmidt vor dem emotionalen Wiedersehen.

Calhanoglu erwartet bei seiner Rückkehr in den Hamburger Volkspark ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert, die im Pokal erlittene Fersenblessur soll ihn aber nicht aufhalten. "Ich will unbedingt spielen. Und ich werde alles dafür tun, um in Hamburg aufzulaufen", sagte das 20 Jahre alte Mittelfeld-Juwel der "Bild". Sogar Tabletten und Spritzen würde er für einen Einsatz in seinem früheren "Wohnzimmer" in Kauf nehmen. Heimisch dürfte sich Calhanoglu in Hamburg allerdings keineswegs fühlen. Nach dem wochenlangen Wechseltheater samt gebrochenem Treueschwur und umstrittener Krankschreibung im Sommer kocht die norddeutsche Volksseele noch immer. Den erzwungenen Wechsel an den Rhein haben die HSV-Fans ihrem einstigen Liebling nicht verziehen. "Das wird ohnehin ein brisantes Spiel für uns. Mit ihm aber noch viel mehr", sagte sein früherer HSV-Zimmergenosse Tolgay Arslan der Hamburger Morgenpost: "Das Stadion wird kochen. Wir sind alle heiß." Aktionen unterhalb der Gürtellinie will HSV-Vereinspräsident Carl Jarchow jedoch verhindern: "Spruchbänder der Fans müssen vorher bei uns angemeldet werden. Respektlose Kommentare, die den Menschen Calhanoglu verletzen, werden wir konsequent aus dem Verkehr ziehen", sagte Jarchow dem "Express": "Wir wollen nicht, dass die Situation eskaliert."

Die Ouvertüre des Theaters um den 14,5-Millionen-Euro-Transfer begann im Frühjahr, exakt am 5. Februar. Der HSV befand sich mitten im Abstiegskampf, als Calhanoglu die Fans in der Hansestadt mit einem Statement begeisterte. "In unserer schweren Situation möchte ich ein Zeichen setzen", sagte er und verlängerte seinen Vertrag zu verbesserten Konditionen um zwei Jahre bis 2018: "Ich möchte noch lange für den Verein in der Bundesliga spielen."

Doch diese Meinung änderte sich schnell. Nachdem er mit starken elf Toren als junges Talent maßgeblich zum Last-Minute-Klassenerhalt beigetragen hatte, wollte er schnell weg. "Meine Perspektive für die kommende Saison sehe ich ganz klar bei Bayer Leverkusen", sagte der gebürtige Mannheimer im Mai. Spätestens als Calhanoglu der Saisonvorbereitung der Hamburger mit einem Attest einer Heidelberger Psychologin fernblieb, sorgte er für einen Sturm der Entrüstung bei den Fans. "In Hamburg konnte ich kaum mehr rausgehen. Ich wurde von allen Seiten beleidigt", rechtfertigte sich Calhanoglu kürzlich bei einem viel diskutierten Auftritt im ZDF-Sportstudio.

Der neue Vertrag in Leverkusen habe ihm anschließend neue Motivation gegeben, so dass er seinem Job wieder nachgehen konnte. Unterstützung erhält er von Bayers Sportdirektor Rudi Völler. "Es wird zu wenig gewürdigt, dass Hakan alles dafür getan hat, dass der Verein in der Liga bleibt", sagte der 54-Jährige der "Sport Bild": "Er hat sich in der Relegation keine Zerrung genommen, sondern alles gegeben. Das zeigt seinen Charakter."

(RP)
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