Peter Bofinger "Das größte Konjunktur-Risiko ist eine Implosion Russlands"

Das Konjunkturjahr 2015 könnte nach Meinung des Wirtschaftsweisen besser werden als 2014 - wenn sich nur nicht die Krise in Russland zuspitzt.

Wie wird das Konjunkturjahr 2015?

Bofinger Nach dem deutlichen Rückgang der Ölpreise und der spürbaren Abwertung des Euro spricht einiges dafür, dass 2015 mindestens so gut und sogar eher noch etwas besser wird als 2014.

Welche neuen Risiken bestehen für die Konjunktur 2015?

Bofinger Das größte Risiko ist eine unkontrollierte wirtschaftliche Implosion Russlands. Sie würde zu einer gefährlichen politischen Instabilität des Landes führen, die sich sehr nachteilig auf die Investitionstätigkeit in Deutschland und in Europa insgesamt auswirken könnte. Zu den großen Unsicherheitsfaktoren der Weltwirtschaft zählt zudem die Entwicklung in China. Nach einem völlig überzogenen Kredit- und Investitionsboom tut sich das Land sehr schwer, ein neues nachhaltiges Wachstumsmodel zu finden.

Warum haben wir trotzdem weiterhin eine so gute Beschäftigungslage?

Bofinger Wir erleben nun schon seit Längerem einen relativ schwachen Produktivitätsanstieg und eine sukzessive Verkürzung der Arbeitszeit je Erwerbstätigen. Somit kommt es trotz relativ geringen Zuwachsraten des realen Bruttoinlandsprodukts seit einigen Jahren zu einem merklichen Anstieg der Beschäftigtenzahlen.

Wie wirkt der Mindestlohn 2015 auf den Arbeitsmarkt?

Bofinger Die Auswirkungen werden sich in engen Grenzen halten. In den meisten Bereichen wird der Mindestlohn durch höhere Preise abgefangen. Diese können relativ leicht auf die Verbraucher überwälzt werden, da alle Betriebe einer Branche gleichermaßen vom Mindestlohn betroffen werden.

Ist die Euro-Krise überwunden?

Bofinger Der Euroraum wird trotz einer Wachstumsrate von rund ein Prozent in den Jahren 2015 und 2016 weiterhin eine sehr hohe Arbeitslosenrate aufweisen. Zudem wird die Staatsverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung eher noch etwas steigen. Beides macht wichtige Länder des Euroraums anfällig für politische Instabilität und Panikattacken der Finanzmärkte.

Was muss die Bundesregierung jetzt für ein stabiles Wachstum tun?

Bofinger Die Regierung sollte sich so schnell wie möglich von der Fixierung auf die "schwarze Null" befreien. Wir haben einen großen Bedarf für zusätzliche öffentliche Investitionen, und wir haben eine riesige private Ersparnis, die verzweifelt nach sicheren Anlagemöglichkeiten sucht. Mehr öffentliche Investitionen in Deutschland würden zudem einen wichtigen Beitrag für mehr Wachstum im Euroraum leisten.

BIRGIT MARSCHALL FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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