Dortmund eröffnet Sammlung Der Fußball kommt ins Museum

Dortmund · Es ist der 8. Juli 1990, Rom, Stadio Olimpico, Deutschland gegen Argentinien. In diesem WM-Finale bleibt um 21:40 Uhr für einen kurzen Augenblick die Zeit stehen. In der 85. Minute steht Andreas Brehme am Elfmeterpunkt. Vor ihm hat sich der argentinische Schlussmann Sergio Goycochea aufgebaut. Brehme läuft an, flach links wie immer, Tor! TV-Kommentator Gerd Rubenbauer schreit erleichtert ins Mikrofon: "Goycochea wusste alles, nur halten konnte er ihn nicht!"

Ein paar Minuten später ist die deutsche Nationalmannschaft zum dritten Mal Weltmeister. Nach dem Finale hat die italienische Stadiongesellschaft den Elfmeterpunkt ausgestochen und konserviert. Jahre später hat der Musikproduzent Frank Farian ("Boney M.") das Stück Rasen ersteigert. Für 100 001 Mark. Andreas Brehme wollte den Elfmeterpunkt mal zurückkaufen, Farian wollte ihn aber nicht mehr hergeben. Der Acrylblock mit dem wertvollen Inhalt und der Messing-Plakette verstaubte weiter munter vor sich hin.

Irgendwann klingelte das Telefon bei Farian. Am anderen Ende der Leitung war ein Kurator in Diensten des DFB. Man wolle ein deutsches Fußball-Museum aufbauen, erklärte der Mann dem Musiker. Farian ließ sich nicht lange bitten und stellte das Sammlerstück als Dauerleihgabe zur Verfügung. Der Elfmeterpunkt von 1990 ist eines von 1800 Exponaten. Ende Sommer soll das Haus direkt gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof eröffnen. "Auf rund 8000 Quadratmetern bieten wir eine großartige Reise durch die deutsche Fußball-Geschichte", sagt Direktor Manuel Neukirchner. Die Baukosten sind mit 36 Millionen Euro kalkuliert worden. Sehr gut möglich bei derartigen Projekten, dass die Summe am Ende noch ein wenig höher ausfallen wird. 18,5 Millionen Euro hat das Land NRW überwiesen, je fünf Millionen haben Adidas und Mercedes beigesteuert, der Rest kommt aus dem wirtschaftlichen Gewinn der WM 2006. Die Stadt Dortmund hat das Areal zur Verfügung gestellt und finanziert die Gestaltung des Außenbereichs.

"Alle wollten das Museum", erzählt Neukirchner, zuvor unter anderem Büroleiter des ehemaligen DFB-Präsidenten Egidius Braun. "Am Ende hat sich NRW durchgesetzt. Es ist für das Land ein Leuchtturmprojekt." Um die Kosten decken zu können, müssten jährlich 270.000 Besucher kommen. Der Museumsmanager träumt aber von der doppelten Anzahl. Der Eintritt wird zwischen zehn und 17 Euro liegen. Eineinhalb bis vier Stunden soll ein Rundgang dauern.

Welches Exponat ist das wertvollste? Neukirchner hat diese Frage schon ein dutzend Mal gehört, er muss sie immer wieder beantworten. Alle wollen wissen, was sein größter Schatz ist. Er lächelt. Er sagt noch diesen Satz, dass er alle Stücke schätzen würde. "Aber es gibt da diesen Urknall des deutschen Fußballs", sagt er. "Am Anfang steht die Erinnerung an den WM-Sieg 1954 - mit dem Original-Ball." Eine große Basis für den Fundus des Museums bildet der Nachlass von Sepp Herberger. Dazu gehören allein 51 Aktenordner mit Briefwechseln mit seinem Kapitän Fritz Walter. Weitere Raritäten: das Endspiel-Trikot 1974 von Gerd Müller, die Endspielmedaille von 1990, Christoph Metzelders Tagebuch, das er während der WM 2006 führte, der Mannschaftsbus von 2014, der in einer Halle stehen wird.

Gesucht wird noch ein Nationalmannschafts-Trikot von Franz Beckenbauer aus den 1960er oder 70er-Jahren "Aus dieser Zeit gibt es äußerst wenige Exponate", sagt Neukirchner. "Wir haben mit Franz Beckenbauer natürlich Kontakt aufgenommen. Er hätte uns sehr gerne geholfen, hat aber selbst keine Trikots mehr aus der Zeit. Vielleicht gibt es ja einen Sammler, der uns einen Tipp geben kann."

Vor ein paar Tagen sind weitere Raritäten in Dortmund eingetroffen. Aus dem Archiv der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main sind neben den EM- und WM-Pokalen der Frauen und Männer auch historische Originale wie die "Viktoria", die bis 1944 dem deutschen Meister überreicht wurde, sowie die Meisterschale des Verbandes der DDR gekommen. "Sie sind Zeugnisse der großen Momente und Erfolge des deutschen Fußballs", erklärt Neukirchner, Geschäftsführer der DFB-Stiftung Deutsches Fußballmuseum, ganz staatstragend.

Mit wie vielen Besuchern aus Gelsenkirchen rechnet der Museumsdirektor in Dortmund? "Da wird es sicher keine Berührungsängste geben", sagt er. "Wir haben viele Exponate auch von Schalke 04 bekommen. Ich bin Fan der Königsblauen und bin bislang auch nicht aus der Stadt geworfen worden."

(RP)
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