Nicole Uphoff hat keine sportlichen Träume mehr Deutsche Dressur-Meisterschaften ohne die viermalige Goldmedaillen-Gewinnerin

Vechta (sid). Vor genau zwölf Jahren hörte die Dressur endgültig auf, ein Sport älterer Herrschaften mit dicken Portefeuilles zu sein. Nicole Uphoff (33) wurde erstmals deutsche Meisterin, der Sport aus Zucht, Disziplin und Ordnung hatte einen neuen Namen, wurde zu einem Begriff und erhielt einen nicht geahnten Orientierungspunkt, ein wahrer Glücksfall für die Reiterei.

Am kommenden Wochenende finden wieder deutsche Meisterschaften statt, doch in Balve/Sauerland auf dem Schlossgelände von Reiter-Präsident Dieter Graf Landsberg-Velen ist die viermalige Goldmedaillengewinnerin, Welt- und Europameisterin nicht am Start. Und es macht ihr nicht einmal mehr etwas aus. Die gelernte Speditionskauffrau aus Duisburg-Baerl, die jetzt in Cappeln lebt und in Vechta in der großzügig angelegten Oldenburger Lehranstalt eigene und Pferde von Kunden ausbildet, sagt: "Ich bin rundherum glücklich. Mir fehlt nichts, ich habe Spaß daran, junge Pferde auszubilden. Erfolg ist nicht alles im Leben."

Nicole Uphoff ("seit 1988 immer noch Konfektionsgröße 76") schüttelte damals die Welt in Frack und Zylinder vehement durcheinander. In Seoul holte sie auf dem Westfalen Rembrandt Gold mit dem Team und in der Einzelwertung, ihr Vater Jürgen, Geschäftsmann durch und durch, mit einem begnadeten Geruchssinn für Geld, wuselte noch in der koreanischen Hauptstadt wie ein Derwisch im Deutschen Haus um die Ausstellerfirmen herum und ortete die ersten Sponsoren.

Verträge mit einem Dressurreiter waren in jener Zeit wirklichkeitsfremd. Jürgen Uphoff schleppte gleich sechs an. Nicole Uphoff reitet nicht mehr im großen Sport, sie hat dennoch weiter Sponsoren, einige neue, aber genau sechs sind es weiter, "mein Name zieht wohl immer noch, und damit habe ich wirklich nicht gerechnet." Als die beiden weiteren Goldmedaillen in Barcelona 1992 ihr am Hals hingen, nach den Welttiteln 1990, hatte sie es endgültig geschafft. Dank Rembrandt, der in Vechta inzwischen sein "Rentnerdasein" geniesst, "mit einer Ponystute zusammen."

Neun Jahre, so meint sie, "habe ich kein normales Leben gelebt, Sport und Termine, kein Privatleben mehr." Jetzt ist sie wieder dort angekommen, wo sie vor 1988 war. Wenn sie nochmals einen Rembrandt finden würde, "ja, dann könnte ich mir durchaus vorstellen, wieder ganz oben reiten zu wollen. Aber einen Remi finde ich sowieso nicht mehr, damit habe ich mich abgefunden. Ich wusste, ohne Rembrandt geht es bergab. Also: Sportliche Träume habe ich nicht mehr."

Ihre Ehe mit dem Springreiter Otto Becker endete nach fünf Jahren 1998, "geschieden werden ist wirklich nicht schön, aber Otto und ich haben inzwischen durchaus ein freundschaftliches Verhältnis." Otto Becker heiratete vor einigen Wochen die Essener Studentin Julia Wilcke, Nicole Uphoff verlobte sich im letzten Jahr mit dem neuseeländischen Bereiter Travis Morgan, "doch eine Hochzeit steht nicht ins Haus."

Sie reitet nicht nur, erteilt auch Unterricht, "und das reiterliche Niveau der einzelnen Schüler ist dabei nicht so wichtig, entscheidend ist, dass sie wollen, wenn nicht, schicke ich sie ganz einfach nach Hause." Alle zwei bis drei Monate fliegt sie in die USA, um Lehrgänge zu geben, "doch auswandern möchte ich nicht, dazu fehlt mir der Mut, obwohl ich in Amerika sofort eine feste Bleibe haben könnte."

Auch sonst entwickelt sie sich in neue Richtungen. Beim 850.000-Mark-Dressurturnier um den Kampmann-Cup in Lingen (4. bis 6. August) hat Nicole Uphoff einen besonderen Einsatz. Sie kommentiert alle Ritte, die Zuschauer empfangen ihre Bemerkungen über Kopfhörer.

(RPO Archiv)
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