Amsterdam/Frankfurt Endspiel für Guus Hiddink

Amsterdam/Frankfurt · Die Niederlande muss morgen gegen Lettland punkten, die Bilanz in der EM-Qualifikation ist schlecht. Geht es nach den Fans, ist die Zeit ihres Bondscoach bereits gezählt. Sie wollen ihn schon jetzt nicht mehr auf der Trainerbank sehen.

Wenn es nach den Fans von Oranje geht, ist das Schicksal von Bondscoach Guus Hiddink längst besiegelt. Knapp 80 Prozent votierten in einer Umfrage der Tageszeitung "De Telegraaf" noch vor dem "Alles-oder-Nichts-Spiel" gegen Lettland für ein vorzeitiges Ende des 68-Jährigen auf der Trainerbank der niederländischen Fußball-Nationalmannschaft. Neues Jahr, neuer Trainer, erfolgreiche EM-Qualifikation - das ist der Traum zahlreicher Anhänger.

Sollte die Elftal morgen in Amsterdam ein weiteres Mal unter Hiddink verlieren, wäre ohnehin alles Makulatur und die zweite Amtszeit des Trainers nach nur 107 Tagen beendet. "Meine Antwort bleibt die gleiche", äußerte Hiddink unter der Woche auf die Frage, ob er bei einer Niederlage denn tatsächlich alles hinwerfen werde. Ja, würde er. Sogar bei einem Remis gegen die Balten wird der Nachfolger von Louis van Gaal sein Amt beim Weltmeister-Dritten wohl aufgeben.

Zu eklatant sind derzeit die Defizite beim Europameister von 1988, zu groß die Gefahr, die EM-Endrunde in zwei Jahren zu verpassen. Vier Niederlagen in fünf Länderspielen, darunter die 0:2-Blamage auf Island, und nur ein Sieg gegen Fußball-Zwerg Kasachstan (3:1) sprechen Bände. Von einer weiteren "Blamage" schrieben die Medien daher nach der 2:3-Niederlage am Mittwoch gegen Mexiko, von "Machtlosigkeit" und "Chaos". Und offenbar ist die heile Oranje-Welt tatsächlich weder auf noch neben dem Platz derzeit in Takt.

Als sich Arjen Robben Anfang der Woche bei der Nationalmannschaft meldete, war der Flügelflitzer von Bayern München noch voller Zuversicht. "Dass Guus Hiddink seine Zukunft an das Spiel gegen Lettland gekoppelt hat, ist unwichtig, weil wir sowieso gewinnen", sagte der Niederländer. "Mit allem Respekt: Aber wenn wir Sonntag nicht siegen, dann muss nicht nur der Bondscoach zurücktreten", meinte Robben mit dem Selbstverständnis eines Fußballers von Bayern München, der aus seinem Club gar nicht mehr weiß, was es bedeutet zu verlieren. Doch ein paar Tage im Kreise des Oranje-Teams haben auch Robben wieder die Augen geöffnet und ihm die Zornesfalten auf die Stirn getrieben. Nach der Testspielniederlage gegen Mexiko hatte der 30-Jährige alle Mühe, seine Wut und Enttäuschung für sich zu behalten.

Gegenseitige Schuldzuweisungen in der Defensive und mangelnde Harmonie in der Offensive: Dass nun ausgerechnet Schalkes Stürmer Klaas-Jan Huntelaar und Kapitän Robin van Persie, nicht gerade die dicksten Kumpel, den Oranje-Tanker wieder auf Kurs bringen sollen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. "Wir können beide gut Fußball spielen, also muss es gehen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir gewinnen", sagte Huntelaar.

Ohnehin dürfen zwischenmenschliche Spannungen gerade in einer prekären Zeit wie dieser absolut keine Rolle spielen - meint Ex-Bondscoach Bert van Marwijk, neben Oranje-Legende Johan Cruyff wohl der prominenteste Fürsprecher Hiddinks. "Auch in meiner Zeit ist so etwas vorgekommen", sagte van Marwijk unlängst im TV-Programm "Studio Voetbal": "Ich habe ihnen dann gesagt, dass sie keine privaten Freunde sein müssen, aber auf dem Spielfeld ihre Aufgaben zu erfüllen haben." Denn im schlimmsten Fall könnte der Rückstand zur Spitze in Qualifikationsgruppe A am Sonntagabend schon neun Punkte betragen und Lettland gar an Oranje vorbeiziehen.

Von einem solchen Horrorszenario wollen die Niederländer jedoch nichts wissen. "Am Sonntag müssen wir drei Punkte holen", forderte Robben, der van Persie gegen Mexiko als Kapitän vertreten hatte. "Unter dem Weihnachtsbaum müssen wir dann nachdenken und ehrlich und hart zu uns sein." Gut möglich, dass Hiddink das Fest der Liebe schon als Arbeitsloser feiern muss.

(RP)
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