Borussia Mönchengladbach Fast so wie in den goldenen 70ern

Mönchengladbach · Der Klassiker ist wieder das Topspiel der Bundesliga: Borussia Mönchengladbach empfängt Bayern München. Am Sonntag trifft der Tabellenzweite auf den Tabellenführer. Im Europapokal schossen sich beide für die 100. Begegnung ein.

Wer in diesen Tagen durch Mönchengladbach fährt, kommt an Borussia nicht vorbei. An vielen Häusern wehen Fahnen mit der Raute. Keine Frage: Die Stadt hat ihren ersten Fußballverein richtig lieb. Und jetzt kommt der FC Bayern (Sonntag, ab 17.30 Uhr im Live-Ticker). Für Borussias Vizepräsidenten Rainer Bonhof, als ehemaliges Mitglied der großen Gladbacher Fohlenelf ganz sicher ein absoluter Sachverständiger in dieser Thematik, ist dieses Spiel der einzige echte Klassiker, den der deutsche Fußball zu bieten hat. "Die Bundesliga wäre ein gutes Stück ärmer, wenn es diesen Klassiker nicht geben würde", sagt er.

Die besten Bilder von Gladbach gegen Bayern
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Es gibt sogar ein Buch über das Treffen der großen Rivalen der 1970er Jahre. Holger Jenrich hat darin Saison für Saison die Vergleiche beider Klubs nachvollzogen. Er hat das Werk "Gladbach gegen Bayern" genannt, mehr muss man auch nicht sagen, denn diese drei Worte sagen alles. Jenrich definiert die Borussen als den innovativen Herausforderer, der sich mit herrlich anzuschauendem Konterfußball der eiskalten Titelsammlerei der Bayern entgegenstellte. Gladbach war Aufbruch und Revolte, Bayern das Establishment, so lautet Jenrichs These.

Es gab viele große Duelle zwischen beiden Klubs, vor allem auf dem kleinen Bökelberg, der heute nur noch Geschichte ist. Der tollste Sieg der Borussen ereignete sich am 18. Mai 1974. 5:0 gewann Gladbach damals, nie gab es einen höheren Sieg. Doch dieses Ereignis ist mit einem Makel behaftet: Die Bayern hatten am Vortag den Landesmeister-Wettbewerb gewonnen und reisten nicht nur freudentrunken an in Mönchengladbach. Borussias Trainer Hennes Weisweiler wurde der Triumph schon dadurch vergällt, dass sein Rivale Udo Lattek, der ein Jahr später sein Nachfolger werden sollte, sowohl die Meisterschale erhielt als auch den Landesmeister-Pott mitgebracht hatte.

Borussias denkwürdigste Duelle mit dem FC Bayern
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Foto: Imago

99 Pflichtspiele gab es bislang zwischen beiden Klubs. Das 100. Treffen ist eines, auf das die gesamte Bundesliga schaut. Viele der Altvorderen werden gefragt, Jupp Heynckes, der mit Gladbach als Spieler Titel holte und dies dann als Trainer mit den Bayern tat, beispielsweise. Der lobt die Entwicklung, die der Klub seines Herzens, Borussia, genommen hat. Das tut auch Stefan Effenberg, der je zweimal bei den Borussen und bei den Bayern "Cheffe" war. Er traut den Gladbachern zu, Bayerns Mega-Mannschaft besiegen zu können. Exklusiv hat Effenberg diese Meinung nicht.

Die Top Five der Wechsel von Gladbach nach Bayern
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Beide Teams haben in der Europapokal-Woche ordentlich Werbung für den deutschen Klassiker gemacht. Die Münchner mit einem furchterregenden 7:1 bei AS Rom, die Borussen mit einem nicht ganz so berauschenden, im Ergebnis aber auch beeindruckenden 5:0 gegen Apollon Limassol. Die Bayern sind und bleiben der ewige Favorit. Doch war der Abstand zum Rekordmeister schon weit größer. Tabellarisch sind die Borussen sogar ganz nah dran am alten Rivalen. Zweiter ist das Team von Lucien Favre, und es ist fast so wie in den goldenen 70ern. Denn die Gladbacher haben das, was sie damals stark gemacht hat, in die Gegenwart übersetzt. Favre lässt seine vielen jungen Spieler fröhlich kontern, so wie es einst Weisweiler tat. Dass die Borussen dies aus einer hochstabilen Abwehr heraus tun, kommt hinzu. Vier Gegentore kassierte Borussias Torhüter Yann Sommer bislang, nur Bayerns Welttorhüter Manuel Neuer kassierte weniger (2). Dass beide Trainer - Favre hier, Guardiola da - zudem in ihrem Schaffen vom Spiel des FC Barcelona inspiriert wurden, lässt einen Vergleich auf höchstem spielerischen und taktischen Niveau erwarten.

Dass die Borussen angesichts der Tabellenkonstellation inzwischen als erster Bayern-Jäger definiert werden, schmeichelt ihnen. Doch sie lassen sich nicht blenden, auch nicht von den Lobreden aus München (unter anderem Guardiola, Franz Beckenbauer). Es ist keine Renaissance der 70er, sondern das Hier und Jetzt. "Die Vorzeichen haben sich geändert", sagt Bonhof. "Das Münchner Starensemble hat den Anspruch, im deutschen Fußball das Maß aller Dinge zu sein. Wir tun gut daran, uns auf unsere eigentlichen Aufgaben und Zielsetzungen zu konzentrieren." Morgen jedoch sind diese klar definiert: Es soll den 21. Sieg gegen die Bayern geben.

(RP)
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