Neuer Skandal bei der Fifa Skandal überschattet Blatters Krönungsmesse

Zürich/Düsseldorf · Am Donnerstag beginnt in Zürich der Kongress des Fußball-Weltverbands Fifa. Am Freitag soll programmgemäß die nächste Krönungsmesse für den Präsidenten stattfinden. Denn dann stellt sich Sepp Blatter zur Wiederwahl. Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass der 79 Jahre alte Schweizer in seinem Amt bestätigt wird - vorausgesetzt, es kommt dazu. Die Uefa fordert eine Verschiebung.

Die Fifa-Skandale unter Sepp Blatter
Infos

Die Fifa-Skandale unter Sepp Blatter

Infos
Foto: dpa, fve jhe bre nic

Die Aussichten auf eine fröhliche Feier sind aber gestern verdorben worden. Es liegt zumindest ein großer Schatten über dem Kongress. Denn gleich neun Spitzenfunktionäre des internationalen Fußballs und fünf Chefs von Sportmarketing-Firmen stehen unter dem Verdacht der Bestechung, der Erpressung und der Geldwäsche. Dazu forderte die Europäische Fußball-Union (Uefa) am Abend nach ihrer Sitzung in Warschau, den Kongress und damit auch die Wahl zu verschieben. Notfalls sei ein Boykott denkbar, um ein "System zu verwarnen, welches - insofern es nicht gestoppt wird - den Fußball letztendlich töten wird". Heute Morgen will die Uefa ihr weiteres Vorgehen festlegen.

Sieben führende Fußballfunktionäre konnten die Ordnungshüter der Einfachheit halber gleich im Zürcher Fünfsterne-Hotel Baur au Lac festnehmen. Sie befinden sich in Auslieferungshaft. Ihnen droht die Abschiebung in die USA, gegen die sich aber sechs Personen mit rechtlichen Mitteln wehren wollen. Am Abend reagierte die Fifa und sperrte die Beschuldigten vorläufig für alle Aktivitäten im Fußball.

Es geht um zwei Fälle: Zum einen um Schmiergelder für die Vermarktungsrechte von Fifa-Großereignissen. Zum anderen um "Unregelmäßigkeiten" bei der Vergabe der WM-Turniere nach Russland (2018) und Katar (2022). 100 Millionen Dollar sollen umgesetzt worden sein.

FIFA: "Es gibt keine Unberührbaren" – Pressestimmen
64 Bilder

Pressestimmen zum Fifa-Skandal

64 Bilder

Die beschuldigten Fußball-Funktionäre stammen aus den nord- und südamerikanischen Verbänden. Die prominentesten sind Stellvertreter des Präsidenten. Jeffrey Webb von den Kaymaninseln und Eugenio Figueredo (Uruguay) sind Vizepräsidenten der Fifa. Jack Warner war das bis 2011. Er galt lange Zeit als treuer Vasall Blatters und artiger Stimmenbeschaffer. Für seine Treue wurde er belohnt - mit Ämtern und offenbar auch mit guten Geschäften.

Sein Fehler war, dass er das verraten hat. 2011 fühlte sich der Stellvertreter berufen, den Amtsinhaber zu stürzen. Deshalb plauderte er (seinerzeit noch Chef des Verbands für Nord-, Südamerika und die Karibik) bereitwillig aus, dass ihm die Fifa die TV-Rechte für alle WM-Turniere seit 1998 "für einen symbolischen Preis" übertragen habe.

Warner fühlte sich ziemlich wohl in der Rolle des Aufklärers, und er stellte sich den Katarer Mohamed Bin Hammam an die Seite. Der hatte maßgeblich an der erfolgreichen Bewerbung seines Heimatlandes mitgearbeitet, wobei es natürlich auch um Geschäfte und Gegengeschäfte ging. Aber nun wollte auch er Blatters Ablösung betreiben.

Absurde FIFA-Pressekonferenz mit Walter De Gregorio
11 Bilder

Absurde Pressekonferenz der Fifa mit Walter De Gregorio

11 Bilder

Großspurige Ankündigungen begleiteten die Kampagne. "Ein Tsunami wird die Fifa erschüttern", versprach Warner. Und er kündigte Beweise dafür an, dass die WM 2022 mit 20 Millionen Dollar Bestechungsgeldern gekauft worden sei. Ein paar Tage vor der Präsidentschaftswahl 2011 scheiterte die Palastrevolution. Bin Hammam und Warner hatten genau das versucht, was sie der Fifa vorhielten. Sie wollten für jede Stimme gegen Blatter 30 000 Dollar zahlen. Unter Beifall des Verbands wurden die Aufständischen ihrer Ämter enthoben. Warner scheint, wenn die Vorwürfe aus den USA auch nur in Ansätzen stimmen, seinen Geschäften fröhlich weiter nachgegangen zu sein.

Er ist nicht der einzige Zwölfender aus dem amerikanischen Raum, den die FBI-Fahnder in den Mittelpunkt ihrer Ermittlungen gerückt haben. Auch der Brasilianer José Maria Marin steht auf der Liste der Verdächtigen. Trotz seiner 83 Jahre ist der Anwalt aus Sao Paulo ein sehr reger Strippenzieher im internationalen Fußball. Er führte den Fußballverband seiner Heimatstadt und war Stellvertreter des Präsidenten im nationalen Verband. Den größten Einfluss nahm er als Chef des Organisationskomitees für die WM 2014 in seinem Land. Bei der Fifa ist er offiziell für die olympischen Fußballturniere zuständig.

Die FBI-Fahnder wurden auf die Verstrickungen der Funktionäre möglicherweise durch den "Garcia-Bericht" aufmerksam. Der ehemalige Staranwalt Michael Garcia, der sich als mutiger Kämpfer gegen das organisierte Verbrechen einen Namen gemacht hatte, untersuchte im Auftrag der Fifa-Ethikkommission die Umstände der WM-Vergabe an Russland und Katar. Um die Veröffentlichung seines Berichts gab es eine bemerkenswerte Auseinandersetzung zwischen dem Verband und dem Ermittler. Hans-Joachim Eckert zensierte für die Fifa die Veröffentlichung, es wurden nur Teile bekannt und eigentlich nur Eckerts Zusammenfassungen. Garcia kritisierte, dem deutschen Richter seien "unvollständige und falsche Darstellungen der Fakten" sowie falsche Schlussfolgerungen unterlaufen. Er legte erbost sein Amt nieder, als Blatter mit Unschuldsmiene verkündete: "Korruption hat es nicht gegeben. Die Entscheidung für Katar steht. Die Krise ist beendet."

Die PK der US-Chefanklägerin und des FBI
19 Bilder

Die PK der US-Chefanklägerin und des FBI

19 Bilder

Bis heute wurde Garcias Bericht nicht vollständig veröffentlicht, wie das viele nationale Verbände (auch der DFB) verlangen. Dafür liegt er dem FBI vor - ebenso wie Bankdaten aus Zürich und Unterlagen aus dem Fifa-Hauptquartier, das gestern durchsucht wurde. "Offensichtlich können Staatsanwaltschaften mehr zur Aufarbeitung der vielen Fragen rund um die Fifa beitragen als interne sogenannte Ethikkommissionen", urteilte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Bundestag-Sportausschusses.

Die Folgen für den Verband sind noch nicht abzusehen. Den Beschuldigten drohen bis zu 20 Jahren Gefängnis. Die Fifa wollte dennoch zur Tagesordnung zurückkehren. Blatter sehe die Angelegenheit recht gelassen, teilte sein Sprecher Walter De Gregorio mit. "Von unserer Seite werden wir den Kongress ausrichten", sagte De Gregorio, "es gab niemals die Idee, den Kongress oder die Wahl zu verschieben."

Die haben nun aber andere.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort