Formel 1 Bernie Ecclestones Reich gerät ins Wanken

Düsseldorf · Die Formel 1 war einmal ein straff geführtes Unternehmen, das weltweit Millionen Fans unterhielt und interessierte. Doch die Königsklasse hat viel Kredit verspielt und muss nun eine Krise meistern, die hausgemacht ist.

Das ist Bernie Ecclestone
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Foto: dpa/Erwin Scheriau

Vor einigen Tagen hatten auch die Rennfahrer genug. Ihr offener Brief wirkte wie ein Hilferuf. "Wir müssen sicherstellen, dass die Formel 1 ein Sport bleibt, bei dem die besten Fahrer in den außergewöhnlichsten Maschinen auf den coolsten Rennstrecken eng gegeneinander kämpfen", forderten sie und kritisierten: "Wir haben das Gefühl, dass einige Regeländerungen zerstörerisch sind, die wirklich großen Probleme nicht lösen und den Erfolg der Formel 1 aufs Spiel setzen." Deutliche Worte der Fahrergewerkschaft (GPDA) mit ihren Direktoren Sebastian Vettel, Jenson Button und Alexander Wurz (Österreich), der seine Karriere schon beendet hat.

Keine 20 Jahre ist es her, da wurden am Nürburgring noch Zusatztribünen aufgebaut, um allen Fans Platz bieten zu können. Fast 130.000 waren am Rennsonntag dabei, um die Männer um Michael Schumacher fahren zu sehen. Im vergangenen Jahr ließ die Formel 1 den Kurs in der Eifel links liegen. Die Fans bleiben schon länger weg. Das von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone geforderte Antrittsgeld war nicht aufzubringen. Ende Juli wird wieder in Deutschland gefahren.

Wie lange aber Hockenheim noch dazugehört, ist ungewiss. Mit zwölf Millionen Euro gab sich Ecclestone zufrieden - erheblich weniger, als er von anderen Streckenbetreibern fordert und erhält (im Schnitt etwa 26 Millionen Euro). Ab 50.000 Tickets wären 100 Euro pro Karte an die Formel-1-Vermarkter geflossen - doch die Grenze wurde nicht mal erreicht. In der Blütezeit der Formel 1 trieben die Streckenbetreiber die Eintrittspreise hoch, weil es die einzige Einnahmequelle war, die ihnen Ecclestone erlaubte. Doch die Fans an den Strecken blieben immer häufiger weg. Auch vor dem Fernseher sind immer weniger dabei.

Mit Einführung der hochkomplizierten Hybridtechnologie, die Mercedes am besten meisterte, so dass dieses Team seitdem die Formel 1 dominiert, nahm die Kritik immer mehr zu. Ganz vorne an der Front der Unzufriedenen ist Ecclestone, der als Geschäftsführer der Formula One Group für die Werbung und kommerzielle Verwertung der Rennserie zuständig ist. "Die Formel 1 ist so schlecht wie nie", ätzte er in einem Interview kurz vor Saisonbeginn. "Ich würde mein Geld nicht ausgeben, um mit meiner Familie ein Rennen anzusehen. Ausgeschlossen." Dennoch hat er die Zahl der Rennen auf die Rekordmarke von 21 hochgeschraubt. Sie bringt die Teams an die Grenzen der Belastbarkeit.

Hausinterne Kritik, mehr übereinander als miteinander reden, hastige Entscheidungen, die schon bald wieder Vergangenheit sind, ein kompliziertes Regelwerk, das Fans ratlos zurücklässt - das sind nur einige Sargnägel. Der Formel 1 bricht eine ganze Generation weg, denn an den Strecken fehlen viele Besucher wie jene, die früher ihren Nachwuchs dabei hatten und so für "Nachschub" sorgten. Mobil sind die Menschen auch heute, aber eher bei der Nutzung technischer Informations- und Unterhaltungsquellen, als im Auto zur Rennstrecke zu fahren. Sicherzustellen, dass die Formel 1 ein Sport bleibt, fordern die Fahrer. Für viele Fans ist sie das längst nicht mehr. Sie wird zur Verkaufsplattform für die Konzerne und Wegbereiter auf der Suche nach neuen Märkten.

Doch Südkorea, die Türkei und Indien sind wieder von der Rennlandkarte verschwunden. Interesse an der Formel 1 kann man nicht verordnen. Die Zeiten, als Bernie Ecclestone und sein ehemaliger Anwalt Max Mosley als Chef des Automobilweltverbandes (Fia) bestimmten, was gemacht wurde, sind vorbei. "Wir sind keine Diktatur, wir sind eine Demokratie", sagte Ecclestone - und das war als Kritik gemeint. Die Geburtshelfer der Formel 1 waren einst Privatteams und Fahrer, die ihr Leben für ihre Leidenschaft riskierten. Nun bestimmen immer mehr Hersteller wie Mercedes und Ferrari den Kurs. Private Motorenhersteller wie einst Cosworth sind gar nicht mehr in der Lage, Teams zu beliefern.

Der immer wieder kläglich gescheiterte Versuch, die Gelder gerechter zu verteilen und auch kleineren Teams einen größeren Teil zukommen zu lassen, nervt viele Fans. Auch dass Fahrer nach einem Qualifying schon mal 50 bzw. 55 Plätze zurückversetzt wurden (bei 20 Fahrern!), weil die Technik versagt, sorgt für Kopfschütteln wie Ecclestones einmaliger Versuch, durch doppelte Punktzahl beim Saisonfinale für künstliche Spannungsmomente zu sorgen.

Im vergangenen Jahr wurde über zu leise Motoren gemeckert. Nun peitschte man kurz vor Saisonbeginn ein Qualifyingformat durch, das bei der Premiere in Melbourne ein Reinfall war. Am Tag danach war klar, dass man zum Modell 2015 zurückkehren wollte. Dann aber folgte die Rolle rückwärts, weil man sich in der Strategiekommission nicht einigen konnte. "Nehmen wir an, du verkaufst Vanilleeis. Aber alle, die in deinen Laden kommen, wollen Schokoladeneis. Dann machst du am nächsten Tag den Laden auf. Was bietest du an? Wieder Vanilleeis!", beschrieb Vettel den Irrsinn.

Die aktuellen Macher laufen Gefahr, zu den Totengräbern einer einstmals attraktiven Serie zu werden, weil Eigeninteressen den Blick auf das Gesamte versperren.

(RP)
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