Saisonende der Formel 1 Rosbergs Dominanz kommt zu spät

Abu Dhabi · Als es zu spät war, drehte Nico Rosberg plötzlich auf und dominierte Weltmeister Lewis Hamilton nach Belieben. Doch welche Aussagekraft haben die letzten drei Saisonrennen für den WM-Kampf 2016?

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Großer Preis von Abu Dhabi: das Rennen

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Zwischen den Palmen im Fahrerlager von Abu Dhabi gönnte sich Nico Rosberg noch einen Schluck Glühwein zum ersten Advent, dann verabschiedete sich der Vizeweltmeister mit einem guten Gefühl in den Weihnachts-Urlaub. "Letztes Jahr war es ein langer Winter", sagte Rosberg nach seinem dritten Sieg: "Dieses Jahr wird es ein bisschen erfreulicher."

Denn der 30-Jährige nimmt ein Gefühl der klaren Überlegenheit mit unter den Tannenbaum, Weltmeister Lewis Hamilton war ihm im engen Mercedes-Duell zuletzt nicht mehr gewachsen. Dass dieser Leistungsumschwung viel zu spät kam, dass der Engländer in der wichtigsten Phase der Saison der große Dominator war, auf diese Wahrheit hatte Rosberg in Abu Dhabi keine Lust.

"Jetzt will ich einfach diesen Moment genießen, bevor ich mir solche Gedanken mache", sagte der Deutsche. Denn das Gefühl der erneut verpassten Chance auf seinen ersten WM-Titel könnte nagend sein. "Diese Siegesserie", titelte etwa die italienische Repubblica, "stärkt nur noch den Ruf Rosbergs als 'ewig Unvollendeter', als 'ewiger Zweiter'."

Und ohnehin wird sich in den kommenden Wochen und Monaten für Rosberg alles um die Frage drehen: Welche Aussagekraft hatten die letzten drei Rennen für den Titelkampf 2016? "Nico wird sehr lange und sehr genau darüber nachdenken, was ihn so stark gemacht hat", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, "er muss es mit in die neue Saison nehmen."

Außer Frage steht, dass Rosberg die Saison verdient als Seriensieger beendet hat. Im Qualifying holte der Vizeweltmeister zuletzt sechsmal in Folge die Pole Position. Rosberg hatte auf der Zeitenjagd der vergangenen Wochen stets eine passende Antwort, präsentierte sich im Kampf um Hundertstelsekunden kühl, nervenstark und fehlerlos - und setzte dies in den Rennen in Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi fort.

Dass der chancenlose Hamilton das Saisonende bewusst herschenkte, kann zudem ausgeschlossen werden. Der ehrgeizige Brite wollte sein Jahr würdig abschließen, das war gerade in den Minuten nach dem Saisonfinale offensichtlich.

"Ihr müsst ihn danach fragen", frotzelte Rosberg diesbezüglich, "aber superglücklich sah er nicht aus." Die Laune des Weltmeisters blieb niemandem verborgen. "Selbst Boxer geben sich nach der letzten Glocke die Hände - nicht aber Hamilton und Rosberg", schrieb der englische Mirror.

Bei aller Anerkennung für Rosbergs Show zum Saisonende legt die Suche nach Ursachen für seine Überlegenheit allerdings auch nahe: Im kommenden Jahr könnte alles wieder beim Alten sein.

Denn offensichtlich hatte Hamilton seit einigen Wochen mit dem neuen Entwicklungsweg zu kämpfen, den Mercedes im September eingeschlagen hatte. Dass er deshalb aber auch mit dem 2016er-Auto schlechter zurechtkommt, ist aber unwahrscheinlich.

Wolff bestätigte, dass die Veränderungen nicht "dramatisch" waren, "keine Philosophie-Änderung, eher marginale Dinge in der Abstimmung." Hamilton hat nun jede Menge Zeit, sich wieder auf seinen Boliden einzustellen, "natürlich" werde das Team auch auf die Bedürfnisse des Fahrers eingehen, sagte Wolff.

Der Österreicher gab zudem zu bedenken, dass der vorzeitige Titelgewinn durchaus eine Rolle gespielt haben könnte in den vergangenen Wochen. "Vielleicht hatte es einen Einfluss auf das Unbewusste, weil er schon all seine Ziele erreicht hatte", sagte Wolff dem SID.

Hamilton werde ab dem ersten Rennen in Australien wieder voll angreifen: "Lewis' Ehrgeiz ist manchmal vielleicht unsympathisch, aber er macht ihn zu dem was er ist", zu einem dreimaligen Weltmeister. Und ob der Titel verdient war oder nicht, darüber gebe es ohnehin keine Diskussion. "Es gibt im Motorsport eine Stoppuhr", sagte Wolff, "und die lügt nie. Lewis hat die Punkte geholt, als es nötig war."

(sid)
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