Formel 1 Ferrari bläst zum Angriff auf Mercedes

Düsseldorf/Barcelona · Zwei Wochen lang testeten die Rennställe der Formel 1 in Barcelona ihre neuen Wagen. Besonders Ferrari mit Sebastian Vettel darf sich als ernsthafter Konkurrent für den Weltmeister Mercedes sehen.

Formel 1: Sebastian Vettel – der viermalige Weltmeister tritt zurück
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Das ist Sebastian Vettel

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Foto: dpa/Chris Putnam

Vom sieglosen Rennstall des vergangenen Jahres zum Retter der Formel 1 innerhalb nur einer Winterpause? Das geht dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel dann doch ein bisschen zu schnell. Zwei Wochen vor dem Start der neuen Saison wird der Ferrari-Pilot aus dem Nichts wieder als Siegkandidat gehandelt, als große Gefahr für Dominator Mercedes - und Vettel reagiert fast schon genervt. "Mercedes ist weiterhin das Maß aller Dinge", sagte der 29-Jährige bei den Testfahrten in Spanien. "Wenn man drei Titel in Folge gewinnt, dann ist man auch der Favorit."

Der Grund für die Hoffnung aller Scuderia-Fans ist die Testphase in der katalanischen Hauptstadt. Vor dem Saisonstart am 26. März in Melbourne hieß es für die Rennteams vor allem testen - aber auch pokern.

Rundenzeiten bei den Tests geben wenig Aufschluss

Denn die Rundenzeiten bei den Tests geben nur wenig Aufschluss über die Kräfteverhältnisse. Kaum ein Team spielt mit offenen Karten. Spritmenge, Motoreinstellungen und Reifenmanagement lassen keine echten Vergleiche zu, und bis zum ersten Rennen wird es ohnehin noch mehrere Modifikationen an den einzelnen Autos geben.

Vor allem die von Sebastian Vettel angeführte Ferrari-Crew lieferte sich mit den Silberpfeilen auf dem Circuit de Catalunya ein Duell um die Bestzeiten, obwohl gerade die Topteams bei den Probefahrten wie oft in der Vergangenheit ihre wahre Stärke zu verschleiern suchten. So wurde Vettel dabei ertappt, wie er bei schnellen Runden gleich mehrmals am Ende kurz den Fuß vom Gas nahm, um das volle Potenzial seines neuen SF70H nicht zu enthüllen. "Es geht doch gar nicht darum, wo man hier steht. Für Testfahrten bekommt man keine WM-Punkte", sagte Vettel. Teamkollege Kimi Raikönnen legte gar die beste Rundenzeit der gesamten Testphase hin.

Bereits in den vergangenen Jahren sah Ferrari nach den Testfahrten oftmals wie der große Favorit aus, erfüllte dann in den Rennen aber doch nicht die Erwartungen. Daraus hat das Team um Sebastian Vettel gelernt. Man gibt sich nach außen vorsichtiger. Der Rennstall möchte ohne Druck in die neue Saison starten.

Vettel stepelt weiter tief

Deshalb stapelt der Heppenheimer weiterhin tief, doch es fällt ihm zunehmend schwerer. Kein Wunder: Zwei Wochen lang hat die Königsklasse nun auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya getestet, und Ferrari machte dabei einen ziemlich starken Eindruck: Schnell, ausdauernd und gut organisiert. Die Scuderia im Frühjahr 2017 wirkt zumindest ein wenig wie in den glorreichen vergangenen Zeiten.

Das Ziel der Formel-1-Bosse, durch die massiven Änderungen im Aerodynamik-Regelment den Abstand der Verfolger auf Mercedes zumindest etwas zu verringern, ist also nach der ersten Testphase mehr als aufgegangen. Die Hoffnung auf Spannung in der kommenden Formel-1-Saison trägt Rot.

Das weiß auch Lewis Hamilton, der zuletzt mehrfach Ferrari lobte und nichts von der Favoritenrolle für Mercedes wissen wollte. Die Scuderia sei unter dem neuen Reglement schnell und sie könne noch schneller, sagte der Vizeweltmeister: "Ich glaube, sie bluffen. Sie sind sehr nah dran, wenn nicht sogar schneller als wir."

Und dann gibt es da noch den ehemaligen Rennstall von Vettel: Red Bull. Auch wenn das Team in Barcelona noch nicht ganz an die Topzeiten von Mercedes und Ferrari herankam, rechnen alle Experten damit, dass diese drei Rennställe auch in der kommenden Saison mit deutlichem Abstand die Weltmeisterschaft unter sich ausmachen werden. Von bis zu 1,5 Sekunden Vorsprung pro Runde auf das dichte Mittelfeld, das wohl von Williams angeführt wird, ist die Rede.

"Alle im Team sind bereit zum Siegen - alle, außer Honda"

Neben dem gezielten Bluffen im Kampf um den Weltmeistertitel mussten bei den Testfahrten aber auch Enttäuschungen weggesteckt werden. Die mit Abstand größte ist bislang das Traditionsteam McLaren. Besonders der völlig neue Honda-Motor machte dem Team einen Strich durch die Rechnung. Altmeister Fernando Alonso reagiert entsprechend dünnhäutig und spart nicht mit Kritik an Honda. "Alle im Team sind bereit zum Siegen - alle, außer Honda." Umso schmerzhafter für den Spanier: Der neue Rennwagen von McLaren scheint mit den Konkurrenten Mercedes und Ferrari durchaus mithalten zu können - bis eben auf die Motorbeschwerden. Alonso droht schon jetzt ein weiteres Jahr voller Frust.

Inwieweit die Tests einen wirklichen Überblick über die Verhältnisse in der neuen Saison geben, wird sich aber erst in rund zwei Wochen beim Start in Melbourne zeigen. Dann wird auch Sebastian Vettel den Fuß nicht mehr absichtlich vom Gas nehmen. Bis es soweit ist, werden sich aber wohl besonders Ferrari und Mercedes noch mit gegenseitigen Komplimenten überhäufen. Das Taktieren hat begonnen.

(se)
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