Großer Preis von Deutschland Formel 1 ist zu kompliziert geworden

Hockenheim · Die Besucherzahlen an den Rennstrecken sind ernüchternd - nicht nur in Hockenheim. Die TV-Quoten sinken. Neue Regeln, Strafenkataloge und Versuche, künstlich für Spannung zu sorgen, bringen die Rennserie an ihre Grenzen.

Großer Preis von Deutschland: freies Training
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Manfred Loppe spricht nur von einem "temporären Schwächeanfall". Der Große Preis von Hockenheim (morgen, 14 Uhr) ist der 400. Formel-1-Lauf, den sein TV-Sender RTL überträgt. Vom Ergebnis des Rekordjahres 2001, als im Schnitt 10,44 Millionen Zuschauer die Fahrten von Michael Schumacher verfolgten, ist man längst weit entfernt. In dieser Saison sank die Zahl im Schnitt um eine Million auf 4,2 Millionen pro Rennen. Für den RTL-Sportchef eine "dennoch respektable Zahl", wie auch der Marktanteil von 29,9 Prozent.

In diesem Jahr meldete der Hockenheimring mal wieder "ausverkauft". Doch das ist schon einen Monat her. Bei ihrem ersten Konzert nach neun Jahre Pause lockte die Band "Böhse Onkelz" an zwei Tagen rund 200 000 Fans an die Rennstrecke. Für die Formel 1 sind bislang rund 50 000 Tickets verkauft. Geschäftsführer Georg Seiler würde sich über 55 000 freuen und hofft, die Veranstaltung mit einer schwarzen Null abwickeln zu können.

Gestern blieben die Tribünen erschreckend leer. Das lag nicht nur an der Hitze. Noch Anfang des Jahrtausends war bei ähnlichen Temperaturen der Ort fest in der Hand von Motorsportfreaks, besserten Einwohner ihre Haushaltskassen durch den Verkauf von Getränken und Kuchen auf dem Bürgersteig oder im Hof auf. Nun spielt die Formel 1 eine Nebenrolle. Nicht nur die TV-Fans wenden sich von der Formel 1 ab, was bitter genug ist, denn damit sinkt die Attraktivität für Sponsoren. Auch die Genießer vor Ort werden weniger. Der Große Preis von Österreich, der nach 2003 sein Comeback in Spielberg erlebte, war mit 225 000 Anhängern an vier Tagen eine Ausnahme.

Auf der Suche nach neuen Geldtöpfen wurden immer neue Rennstrecken gebaut. Auch auf Druck der Autokonzerne, die die Formel 1 vor allem als Bühne für ihre Produkte sehen. Aber Interesse lässt sich nicht erzwingen. Die Türkei, Indien und Südkorea gehören schon nicht mehr zum Rennkalender.

Die Formel 1 schwächelt. Und ihre Protagonisten überbieten sich mit Kritik etwa am Sound der neuen Turbomotoren. Seit Jahren wird über eine Reduzierung der Kosten diskutiert. Doch die reichen Teams denken nicht daran, diesen Wettbewerbsvorteil aufzugeben. "Wer sich die Formel 1 nicht leisten kann, sollte nicht dabei sein", argumentiert ihr Boss Bernie Ecclestone. Er hat die Gewinnmaximierung zum obersten Prinzip erhoben.

Die Königsklasse biete eine deprimierende Show, der Wettstreit der Ingenieure und der Strategen an der Box habe den der Piloten abgelöst, sagen die Kritiker. Die Formel 1 war stets die Spitze der Technologie im Motorsport. Und ohne den "grünen Touch", den Bau der spritgünstigeren Turbomotoren, wären wohl Hersteller abgesprungen, und Honda käme gewiss nicht 2015 zurück. "Man muss eine Formel schaffen, die dem Fahrer den Spielraum gibt, sein Können zu zeigen. Jetzt gibt es viele neue Systeme in den Autos, die von außen und nicht mehr im Cockpit kontrolliert werden", sagte Weltmeister Sebastian Vettel.

Früher war die Formel 1 einfach, reichte eine von einem Teammitglied am Streckenrand gezeigte Tafel aus, den Fahrer zu informieren. Nun ist Rennserie nicht nur komplizierter gemacht worden, sondern hat mit der zunehmenden Regulierungswut und Strafenkatalogen ein Stadium erreicht, in dem sie für den Fan, der unterhalten werden will (und soll), unverständlich, nicht mehr nachvollziehbar wird. "Wir fahren Autorennen und sind nicht im Verkehrskindergarten", meinte Niki Lauda, Chef-Kontrolleur des Mercedes-Teams. Überholmanöver ohne Gegenwehr erhöhen auch nicht den Reiz. Jean Todt, Chef des Automobil-Weltverbandes (Fia), will Sponsoren, Presse, neue Medien, Rennstreckenbetreiber, Piloten von heute und gestern sowie die Konstrukteure an einen Tisch holen, um interessante Vorschläge zu sammeln. Hört sich gut an.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

(RP)
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