Ferrari ist erfolgshungrig Vettels Weckruf

Shanghai · Mit seinem Sieg beim WM-Auftakt in Melbourne sorgt der Ferrari-Fahrer für Neugier. Die Frage: Hatte das in den zurückliegenden drei Jahren dominierende Mercedes-Team nur einen schlechten Tag oder aber echte Probleme?

Sebastian Vettel feiert den ersten Triumph der Saison.

Sebastian Vettel feiert den ersten Triumph der Saison.

Foto: ap, RR

Sebastian Vettel hat ein Ziel: Der viermalige Formel-1-Weltmeister will den frisch geweckten Heißhunger seines Ferrari-Teams auch am Sonntag (8 Uhr/live bei RTL) in Shanghai im zweiten Saisonrennen stillen. "Es hat jeden extra in Fahrt gebracht", sagte der Heppenheimer mit Blick auf seinen Auftaktsieg in Australien. Dort hatte er einen Taktikfehler des Mercedes-Teams, das den führenden Lewis Hamilton zu früh zum Reifenwechsel an die Box holte, genutzt. "Es war nur ein Sieg, aber jeder will mehr. Jeder im Team ist hungrig", fügte er hinzu.

Für den jüngsten Appetit der Italiener hat Vettel vor knapp zwei Wochen gesorgt, als er erstmals nach 18 Monaten wieder einen Grand Prix gewann und Hamilton, der in der entscheidenden Phase nicht an Red-Bull-Fahrer Max Verstappen vorbeikam, auf den zweiten Platz verwies. "Das ist keine Garantie, dass es so weitergeht", meinte Vettel über seinen 43. Formel-1-Sieg, der für die Scuderia wie eine Erlösung wirkte. "Wir haben ein starkes Paket. Es gibt aber noch viele Dinge, an denen wir werkeln und tüfteln müssen. Wenn es so anfängt, kann es jedoch so weitergehen", fügte Vettel hinzu.

Der Sieg des Heppenheimers kommt der Formel 1 sehr gelegen. Die Niederlage des favorisierten Mercedes-Team hat vielleicht einige Motorsportfans wieder neugierig gemacht. Ein Sieger Lewis Hamilton in Melbourne hätte das Gefühl verstärkt, dass auch nach den technischen Neuerungen die Hierarchie gleich geblieben ist. Nun stellt sich die Frage, ob die Silberpfeile in Shanghai wieder zu alter Stärke zurückfinden.

Vettel jedenfalls sieht Mercedes immer noch als Favorit. Vor allem in der Qualifikation erkennt er beim Weltmeister-Team der vergangenen drei Jahre Vorteile. "Wir haben aber einen Schritt nach vorne gemacht, auch auf der Motorenseite müssen wir uns nicht verstecken", urteilte der Heppenheimer, der in China bislang nur 2009 gewinnen konnte. Zu Euphorie neigt der 29-Jährige aber noch lange nicht. "Es war erst das erste Rennen, es bedeutet nicht viel", mahnte Vettel, räumte jedoch ein: "Das Team hat sich weiterentwickelt. Wir sind in einer besseren Position, und die Leute fühlen sich wohler und sind zuversichtlicher als im vergangenen Jahr."

2016 blieb Vettel mit Ferrari nicht nur weit hinter den Erwartungen zurück, speziell in China platzte ihm der Kragen. Vom aktuellen Toro-Rosso-Mann Daniil Kwjat sah sich der Ferrari-Pilot auf so rüde Weise abgedrängt, dass er zwangsläufig in seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen krachen musste. Vettel wurde dennoch Zweiter. Der derzeitige WM-Spitzenreiter weiß aber nicht erst seit seinem Triumph in Melbourne: "Siege sind die beste Medizin."

Bei Mercedes sprach man von einem Weckruf. Motorsportchef Toto Wolff bekräftigte, dass man seit Melbourne intensiv gearbeitet habe, um die Defizite zu minimieren. "Das Rennen hat gezeigt, dass wir keinen Spielraum mehr haben und in jedem Detail perfekt sein müssen", betonte der Österreicher.

Das Rennen in Shanghai gilt wegen seiner Streckencharakteristik als richtungweisend für den Rest der Saison - im Gegensatz zum Straßenkurs von Melbourne. Noch scheint der Mercedes, obgleich fünf Kilogramm schwerer als das Mindestgewicht, das schnellste Auto zu sein. Das könnte sich auf der mit 1175 Meter längsten Geraden der 20 Rennstrecken positiv auswirken.

Vielleicht sehen die Fans an der Strecke und vor den TV-Apparaten dann ja endlich mal wieder mehr Überholmanöver. In Melbourne zählten die Statistiker nur fünf "echte". Schon jammerten die Fahrer, die durch die schnelleren Autos körperlich mehr gefordert werden, dass mit den aggressiver aussehenden Boliden wegen des geringeren Abtriebes das Überholen noch schwieriger geworden ist.

Hamilton dürfte die Geschichte des Rennens egal sein, Hauptsache er gewinnt. Die Niederlage in Melbourne traf ihn hart. Für ihn zählt nur der vierte WM-Titel. Vettel und Ferrari hätten zuletzt einfach den besseren Job gemacht. "Jetzt müssen wir wieder den besseren Job machen", forderte er.

(cze/dpa/sid)
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