Reaktion auf Ausbremstaktik Welche Konsequenzen drohen jetzt Hamilton?

Abu Dhabi · Lewis Hamilton erschüttert das Vertrauensverhältnis bei Mercedes. Der Brite ignoriert im Formel-1-Finale Anweisungen von der Box. "Anarchie funktioniert in keinem Team", schimpft Motorsportchef Toto Wolff. Konsequenzen für den entthronten Weltmeister schließt er nicht aus.

 Ein schlechter Verlierer? Lewis Hamilton drohen bei Mercedes Konsequenzen für sein Verhalten beim letzten WM-Rennen in Abu Dhabi.

Ein schlechter Verlierer? Lewis Hamilton drohen bei Mercedes Konsequenzen für sein Verhalten beim letzten WM-Rennen in Abu Dhabi.

Foto: ap, AF

Mit seiner Rebellion gegen den Mercedes-Kommandostand hat Lewis Hamilton beim Weltmeister-Rennstall eine tiefe Vertrauenskrise ausgelöst. Nach der Ego-Fahrt des entthronten Formel-1-Champions in der Schlussphase des Saisonfinales von Abu Dhabi schloss Motorsportchef Toto Wolff Konsequenzen für den störrischen Briten nicht aus, der Anweisungen von der Box ignorierte. "Anarchie funktioniert in keinem Team und in keinem Unternehmen", warnte der Österreicher. "Es geht darum, eine Lösung zu finden, wie man so etwas in der Zukunft verhindert." Prompt vermuteten britische Medien wie der "Daily Express": "Hamilton droht der Rauswurf."

"Lewis Hamilton steht bei Mercedes vor der Entlassung, nachdem er beschuldigt wurde, in Abu Dhabi für 'Anarchie' gesorgt zu haben", schreibt der Daily Mirror: "Hamiltons Vertrag läuft noch bis 2018, aber das würde den deutschen Autoriesen nicht davon abhalten, diesen vorzeitig zu beenden oder Hamilton für einige Rennen im kommenden Jahr zu sperren."

Die konkurrierende Daily Mail schreibt: "Hamilton riskiert die Auflösung seines 30-Millionen-Pfund-Vertrages, nachdem er sich wiederholt seinem Team widersetzt hat."

Der Guardian schreibt indes, dass Mercedes "Disziplinarmaßnahmen in Erwägung" zieht, "dies könnte eine Geldstrafe oder sogar eine Sperre bedeuten". Auch der Telegraph glaubt, "Hamilton könnte gesperrt werden", nachdem er sich "dreist und wiederholt über Anweisungen hinweggesetzt hat".

Hamilton wollte im Zitterfinale noch einmal alle Möglichkeiten ausschöpfen, seine WM-Aufholjagd doch noch zu krönen. Dafür verschleppte der vorneweg fahrende 31-Jährige das Tempo, um Verfolger Nico Rosberg in weitere Positionskämpfe mit Sebastian Vettel und Max Verstappen zu verwickeln. Wäre der deutsche Mercedes-Pilot nur Vierter geworden, hätte Hamilton doch noch die Wende vollbracht.

"Wir haben den Rennsieg in Gefahr gesehen. Seit drei Jahren ordnen wir alles dem Rennsieg unter", begründete Wolff seinen Ärger, da Vettel auf den letzten Runden richtig aufdrehte. "Das habe ich nicht erwartet, es war vielleicht ein bisschen naiv", meinte Rosberg über die Taktik von Hamilton. "Man kann die Teamseite verstehen, man kann aber auch Lewis verstehen, weil es um die Weltmeisterschaft geht."

Hamilton opponierte — und das kam einer Eskalation gleich. Erst ignorierte der Brite eine Ansage seines Renningenieurs Peter Bonnington, wieder mehr Gas zu geben. Dann leistete er auch der Anweisung von Technikdirektor Paddy Lowe nicht folge. Wolff beschrieb diese Intervention von der Box als die "höchste Eskalationsstufe", die es im Formel-1-Team für solche Fälle gebe. "Ich verliere gerade die WM, da ist es mir egal, ob ich dieses Rennen gewinne oder verliere", lautete einer der Funksprüche des trotzigen Hamilton.

"Wir müssen mit dem Lewis reden, wir müssen wissen, was los ist", empfahl Teamaufsichtsrat Niki Lauda. Wolff ermahnte sich selbst zur Besonnenheit. "Ich muss mir jetzt erstmal eine Meinung bilden", meinte der Österreicher, der durchaus Verständnis für seinen bitter enttäuschten Piloten aufbrachte. "Vielleicht kann man von einem Rennfahrer, der einer der Besten ist, wenn nicht sogar der Beste, nicht verlangen, dass er in so einer Situation die Anweisungen befolgt, in der ihn seine Instinkte davon abhalten", meinte Wolff. Die "Times" befand: "Hamilton verließ Abu Dhabi ohne Anstand."

Das Zerwürfnis von Abu Dhabi ist nichts Neues. In Ungarn 2014 setzte der Brite auf eine Blockadetaktik, als er den auf einer anderen Strategie fahrenden Deutschen trotz mehrfacher Aufforderung von der Box nicht passieren ließ. "Ich habe nichts Gefährliches gemacht, deshalb habe ich nichts Unfaires getan", verteidigte sich Hamilton nun in der Wüste. "Wir haben um die Weltmeisterschaft gekämpft, ich lag in Führung, ich habe das Tempo bestimmt. So sind die Regeln."

Den Verhaltenskodex will aber Mercedes bestimmen. "Vielleicht wollen wir ihnen noch mehr Freiheiten einräumen, oder wir entscheiden uns für die härtere Seite, weil die Werte nicht respektiert werden", erklärte Wolff, der seine Piloten bislang stets frei gegeneinander fahren ließ. "Ich weiß noch nicht, wohin das Pendel ausschlägt."

(dpa)
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