Freie Fahrt gegen Ferrari Mercedes predigt Gleichberechtigung

Köln · Mercedes sieht sich nach drei einsamen Jahren an der Spitze mit einer nicht mehr gewohnten Herausforderung konfrontiert: Gegen Ferrari werden am Ende wohl Kleinigkeiten entscheiden - und doch soll es eine echte Teamorder bei den Silberpfeilen nie geben.

 Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. Eine echte Teamorder soll es bei den Silberpfeilen nicht geben.

Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. Eine echte Teamorder soll es bei den Silberpfeilen nicht geben.

Foto: afp

Nein, sagt Toto Wolff und schmunzelt, Faulheit sei nicht das Problem bei Mercedes. Drei Jahre lang rasten die Silberpfeile in der Formel 1 fast konkurrenzlos von Sieg zu Sieg, standen einsam an der Spitze. 2017 ist Ferrari nun plötzlich ein harter Gegner. Die Gründe dafür? "Keine Bequemlichkeit, keine Nachlässigkeit", sagt Mercedes-Motorsportchef Wolff mit Nachdruck - im Gegenteil.

Das neue Reglement habe "alles auf null gestellt", und Ferrari mit dem viermaligen Champion Sebastian Vettel sei dabei etwas "außergewöhnlich Gutes" gelungen - die lange Zeit sieche Scuderia ist in der neuen Ära der Königsklasse also wieder Messlatte für die Konkurrenz. "Und nur Mercedes fährt jetzt auf Augenhöhe mit ihnen", sagt Wolff im Gespräch mit dem SID: "Das ist der klare Beweis unserer Stärke als Team."

Nach vier Rennen der neuen Saison sind Erfolge für Silber längst keine Selbstverständlichkeit mehr, Ferrari-Pilot Vettel führt vor dem Großen Preis von Spanien am Sonntag (14.00 Uhr/Live-Ticker) das WM-Klassement an. Allerdings zeigte Mercedes zuletzt auch, dass man diesen Kampf annimmt: In Russland brachte das Qualifying die bislang größte Niederlage, die komplette erste Startreihe ging an Ferrari - im Rennen schlug Mercedes mit dem Premieren-Sieg von Valtteri Bottas zurück.

Für das Weltmeisterteam macht der Sieg des Finnen diese Saison je nach Blickwinkel einfacher und komplizierter zugleich. Zum einen sprang Bottas in die Bresche, als Superstar Lewis Hamilton schwächelte. Er zeigte, dass er im wahrsten Sinne des Wortes ein Nachfolger des zurückgetretenen Champions Nico Rosberg sein kann - und weit mehr als bloß eine Nummer zwei, wie von vielen angenommen. Es sei "schon verrückt, dass man nach gerade einmal drei Rennen über Valtteris Position spekuliert hatte", sagt Wolff dazu: "Man muss dem Kerl auch mal Zeit geben."

Auch Bottas machte in seiner ruhigen Art klar, dass er ohnehin immer an seine Fähigkeiten geglaubt habe: "Wenn du denkst, dass du nicht gewinnen kannst, dann solltest du zu Hause bleiben."

Auf der anderen Seite kann ein enges Stallduell in dieser langen Saison für Mercedes zum Nachteil gegenüber Ferrari werden. Nehmen sich beide Silberpfeile regelmäßig die Punkte weg, könnte Vettel profitieren - denn der hat seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen bislang ziemlich deutlich im Griff und dürfte den Großteil der Ferrari-Punkte einfahren. Der eigene Anspruch, beide Fahrer stets frei gegeneinander antreten zu lassen, wird bei Mercedes dann auf eine harte Probe gestellt.

Dennoch schließt Wolff einen harten Eingriff des Kommandostandes weiter aus. Eine Teamorder, wie sie Ferrari kurz nach der Jahrtausendwende bei Michael Schumacher und Rubens Barrichello ("Let Michael pass for the Championship") beinahe legendär anwendete, soll es bei Mercedes auch im Jahr 2017 nicht geben.

"Das Thema ist zurecht sehr kontrovers, niemand will so etwas sehen", sagt Wolff: "Ich glaube, dass es damals auch ein anderes Umfeld war. Heute ist alles transparenter. Deshalb wäre eine so brutale Stallorder nichts, was wir machen wollen oder machen würden." Vielleicht wird Wolff sich in wenigen Monaten daran messen lassen müssen.

(sid)
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