Großer Preis von China Chefkritiker Vettel hadert mit der Formel 1

Shanghai · Sebastian Vettel schärft sein Profil als neuer Chefkritiker der Formel 1. Doch in China muss der Ferrari-Star auch wieder auf der Strecke liefern, wenn er Mercedes nicht aus den Augen verlieren will.

 Sebastian Vettel beim Rennen in Bahrain.

Sebastian Vettel beim Rennen in Bahrain.

Foto: afp, vel

Sebastian Vettel ist wieder die Nummer eins — zumindest bei den Chefkritikern der Formel 1. Mit deutlichen Worten prangerte der Ferrari-Star zuletzt den Zustand der Königsklasse an und forderte Reformen. Das brachte dem Heppenheimer viele Schulterklopfer ein — doch nun muss Vettel auch auf der Strecke wieder liefern.

"Hätte, wenn und wäre zählt alles nicht", sagte Vettel vor dem Großen Preis von China (Sonntag, 8 Uhr/Live-Ticker). Der 28-Jährige und seine Scuderia bekamen seit Saisonbeginn viel Lob, weil sie bei der anspruchsvollen Jagd auf Mercedes einen großen Schritt gemacht und viel Leistung dazugewonnen haben.

Doch nach dem Motorplatzer von Bahrain hat Vettel nach zwei Saisonrennen auch schon 35 Punkte Rückstand auf den WM-Führenden Nico Rosberg (Mercedes). Will der Ex-Weltmeister den Titel nicht schon in Shanghai aus den Augen verlieren, muss er im Reich der Mitte fast schon gewinnen.

Vettels Problem wurde vor knapp zwei Wochen in der Wüste von Bahrain deutlich, als seine "Margherita" schon in der Einführungsrunde rauchte wie ein Schornstein. Die Roten quetschen auf der Jagd nach den Silberpfeilen alles aus ihrem Motor heraus — darunter leidet die Zuverlässigkeit. Vettel muss in China aller Voraussicht nach schon seinen zweiten von insgesamt fünf erlaubten Motoren benutzen.

"Ferrari zeigt sich fragil: Schnell wie Mercedes, doch zerbrechlich wie Kristall", schrieb die italienische La Stampa zuletzt. Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen hatte schon zum Auftakt in Australien Zuverlässigkeits-Probleme.

Und nun wartet auf Vettel in China ausgerechnet die längste Gerade der Saison. Dort geht es um absolute Höchstgeschwindigkeit, die PS-Zahl ist mitentscheidend. Kein Wunder, dass Rosberg vor dem dritten Auftritt des Jahres vor Selbstvertrauen strotzt. "Ich bin nicht eine Runde im Rennen voll gefahren. Nach der ersten Runde reichte es, den Vorsprung zu kontrollieren", sagte der Wiesbadener nach seinem Sieg in Bahrain. In China, wo Rosberg 2012 seinen ersten Grand-Prix-Triumph feierte, peilt er nun seinen dritten Sieg im dritten Rennen 2016 an.

Chefpromoter Bernie Ecclestone rechnet nicht damit, dass Vettel in diesem Jahr die Überlegenheit der Silberpfeile beenden kann. "Ferrari wird bis 2020 keine WM mehr gewinnen, wenn wir die verdammten Hybridmotoren nicht loswerden", sagte der Brite der "Sport Bild": "Es gibt kein Auto in der Formel-1-Geschichte, das so überlegen war wie der aktuelle Mercedes. Da nützt auch ein Vettel nichts."

Auch Vettel ist kein Freund der komplexen Hybridmotoren — und auch sonst liegt er mit Ecclestone in Fragen der Ausrichtung der Formel 1 überhaupt nicht mehr auf einer Wellenlänge. Der schnellste Kreisverkehr der Welt drohe unter seiner jetzigen Führung "den Kern des Motorsports" aus den Augen zu verlieren, sagte er dem Magazin "PS Welt".

Vettel sehnt sich nach einer Formel 1, in der die Fahrer wieder über Sieg und Niederlage entscheiden, nach spektakulären Mann-gegen-Mann-Duellen auf der Strecke — wie damals beim Kartfahren. "Da geht es eigentlich ständig um die gewählte Linie und die Überwindung jenes Punktes, für den du Eier in der Hose brauchst", sagte Chefkritiker Vettel. Jetzt muss er auch wieder auf der Strecke liefern.

(sid)
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