"Haben wir nicht einen geilen Sport?" Jetzt wehren sich die Fahrer gegen die Langeweile-Vorwürfe

Silverstone · Endlich Spektakel: Hamiltons Sieg vor Rosberg war nur beim Blick auf das Ergebnis etwas ganz Gewöhnliches - in Silverstone zeigte sich die Formel 1 von ihrer besten Seite, und das war bitter nötig.

Die Lehren vom Großen Preis von Großbritannien
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Foto: ap, FA

Es gärte schon eine ganze Weile in Nico Rosberg. Trotz seiner Niederlage im Spektakel von Silverstone wollte der Mercedes-Pilot endlich eine Lanze brechen für die viel gescholtene Königsklasse des Motorsports. "Ist die Formel 1 nicht spannend? Haben wir nicht einen geilen Sport?", fragte er die Medienvertreter im trotzigen Tonfall, als er zur letzten Fragerunde vor seiner Abreise aus England antrat - und stieß damit ins gleiche Horn wie der Großteil des Fahrerlagers.

Die Hoffnung auf einen großen Schritt aus der Image-Krise ist groß nach dem wohl intensivsten Rennen des Jahres, aus dem Lewis Hamilton als umjubelter Heimsieger hervorging, und sogar die Medien waren euphorisch wie lange nicht mehr.

Hamilton ist "der fliegende Doktor"

Der englische Guardian bezeichnete Weltmeister Hamilton als den "fliegenden Doktor der Formel 1, der den gesamten Sport aus dem Krankenbett gehoben und ihn in die Sonne vor eine bewundernde Menge gesetzt" habe. Die Daily Mail sah zudem "die perfekte Antwort auf die Kritik" der vergangenen Monate.

"Lewis Hamilton hat zu Hause das Sagen" - Pressestimmen zur Formel 1
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Großer Preis von Großbritannien: Pressestimmen

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Diese hatte vor dem Großen Preis in England einen neuen Höhepunkt erreicht: zu viel Langeweile, zu wenig Spektakel, zu wenig Zuschauer. Die Königsklasse fühlte sich dabei stets massiv ungerecht behandelt, eines der großen Duelle abseits der Strecke hieß am Wochenende daher: Die Formel 1 gegen die Weltpresse.

Auf der turnusmäßigen Pressekonferenz am Freitag lieferten sich Teamchefs und Journalisten ein denkwürdiges, minutenlanges Wortgefecht, das irgendwann vom Moderator unterbrochen werden musste. Ausnahmsweise herrschte dabei mal Einigkeit unter den Vertretern der Rennställe, der kollektive Vorwurf lautete in etwa:
Ihr schreibt unseren Sport kaputt.

Entsprechend erleichtert und auch stolz waren die Formel-1-Verantwortlichen später auf das Rennen. Denn es hatte der Königsklasse endlich wieder das gegeben, was sie so bitter nötig hat. Rund um die ländlich gelegene Strecke herrschte Hochbetrieb, 140.000 Fans sorgten für eine Silverstone-Rekordkulisse und bewiesen, dass die Formel 1 doch noch begeistern kann.

Prominente Gäste beim Formel-1-Rennen in Silverstone
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Aufwärtstrend bei RTL

Und auch das deutsche Fernsehen darf ein wenig aufatmen. Bei RTL verfolgten im Schnitt 4,66 Millionen Zuschauer das Rennen (Marktanteil: 30,2 Prozent). Damit schalteten 450.000 Fans mehr ein, als im Vorjahr, der leichte Aufwärtstrend bestätigt sich.

"Das zeigt uns doch, dass wir nicht immer überreagieren und gleich behaupten sollten, dass alles schlecht ist", sagte Hamilton. Im Rennen hatte das Williams-Duo Felipe Massa und Valtteri Bottas die sonst so überlegenen Silberpfeile überrumpelt, die Underdogs schienen lange auf Siegkurs zu liegen - doch spät einsetzender Regen machte Strategieentscheidungen in Sekunden notwendig, und noch einmal wurde das Feld durcheinander gewirbelt.

In all dem Jubel über eine gute Show räumte Hamilton aber auch ein, dass "die Kritiker nicht in jeder Hinsicht falsch liegen", dass es viel Luft nach oben gebe. Der englische Grand Prix sollte darüber nicht hinwegtäuschen. Schließlich ist Silverstone, das Zentrum des britischen Motorsports, ohnehin so etwas wie das gallische Dorf der Formel 1, zudem sorgten die Organisatoren auch mit sinnvollen Rabatten für ein volles Haus.

Zudem ist auch Mercedes im Normalfall noch immer hoch überlegen, und nicht nur die jüngste Fan-Umfrage ergab, dass an den Autos einiges verändert werden sollte. Grundlegende Neuerungen werden in Zukunft notwendig sein, und sie sind zumindest angekündigt. Vielleicht war der Sonntag von Silverstone für die Formel 1 ein erster Schritt aus der Krise.

(sid)
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