Rheinische Pioniere (12): Michael Schumacher Der Revolutionär des Motorsports

Düsseldorf · Rennfahrer Michael Schumacher hat die Motorsport-Welt für immer verändert. Seit einem Ski-Unfall ist er aber nicht mehr der Alte.

Dieses Ärzteteam kümmert sich um Schumacher
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Oktober 2006. Nur noch wenige Tage, dann zieht sich einer der größten Stars der Sportgeschichte ins Privatleben zurück. Michael Schumacher, damals 37, in Kerpen aufgewachsen, seit 1996 in der Schweiz zuhause, blickt in die Zukunft. "So alt werden, wie es sich lohnt zu leben", antwortet er auf eine Frage. "Ich will mich fit fühlen. Die Vorstellung macht mir Angst, bettlägerig zu sein, auf andere angewiesen. Aber wer weiß, wie man das beurteilt, wenn es so weit ist." Damals ahnt er nicht, dass er Jahre später in so eine Situation kommen würde.

Wenige Wochen zuvor, Anfang September, hat Schumacher in Monza nach dem Erfolg beim Grand Prix von Italien seinen Rücktritt angekündigt. Er siegt auch noch in Schanghai. Es ist sein 91. Erfolg. Als ihn dann in Suzuka erstmals seit fünf Jahren wieder der Motor seines Ferraris im Stich lässt, ist der Titelkampf verloren. Der Spanier Fernando Alonso löst ihn als Weltmeister ab. Es bleibt bei sieben WM-Triumphen - einer von vielen Rekorden, die der Rheinländer in fast 19 Formel-1-Jahren aufstellt.

"Michael hat den Motorsport in Deutschland wieder salonfähig gemacht", sagt Hans-Joachim Stuck. Der 63-Jährige, von 1974 bis 1979 als Fahrer in der Königsklasse aktiv und heute Präsident des Deutschen Motor Sport Bundes, erinnert sich: "Als Jochen Mass, Rolf Stommelen oder ich unterwegs waren, natürlich mit wesentlich weniger Erfolg, wurden die Motorsportler als Krachmacher und Umweltverschmutzer bezeichnet. Michael hat den Motorsport wieder angekurbelt. Er hat eine riesige Fangemeinde aktiviert, ist zum Vorbild und Wegbereiter für viele Jugendliche geworden."

Ende August 1991 gibt Schumacher in Spa seine Visitenkarte in der Formel 1 ab. Er zeigt rasch, dass Deutsche nicht nur gute Autos bauen, sondern dass sie auch gut Auto fahren können. Sponsoren und die Wirtschaft erkennen, dass hier ein Hype entsteht, von dem auch sie profitieren. Formel 1 spielt in den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern keine Rolle. RTL steigt 1992 wieder ein - und sichert sich einen Quotenbringer. Sonntagnachmittag sitzt man nun vor dem Fernseher, verfolgt den Weg des schnellen Deutschen.

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Schumacher verdient viel Geld (Schätzungen reichen von 250 bis 450 Millionen Euro), spendet aber auch einen nicht geringen Teil seiner Einkünfte. Der Kerpener hat das Glück, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute zu treffen. Er hat aber auch das Können und den Ehrgeiz, die ihm gebotenen Chancen zu nutzen. Schumacher habe neue Standards in der Formel 1 gesetzt, betont Ferraris Präsident Luca di Montezemolo am Ende der Zusammenarbeit, die 1996 begonnen hat.

Nach vier Jahren Aufbauarbeit holen Schumacher und das Team zwischen 2000 und 2004 alle WM-Titel. Die Scuderia gewinnt 57 von 85 Rennen - 48 durch Schumacher. Die Formel 1 wird angesichts ihrer erdrückenden Überlegenheit zur Formel Schumi oder Formel Gähn. "Michael hat als erster Fahrer auch physisch viel härter trainiert und war so fitter im Kopf. Er ist der Einzige, der 70 Runden auf allerhöchstem Niveau durchfahren kann", sagt di Montezemolo.

Körperliche Fitness ist nur ein Baustein für Schumachers Aufstieg. Er testet, während andere die Strecke schon verlassen haben. Er tauscht sich mit seinen Mechanikern und Ingenieuren aus, als andere schon schlafen. Hatten die Fahrer zuvor nur die Informationen, die sie im Kopf speichern konnten, spucken nun Drucker die von Computern ermittelten Daten gleich meterweise aus. Schumacher nutzt alle Möglichkeiten, sich zu verbessern und sein Auto schneller zu machen.

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Foto: ap, LB

Er lässt sich nicht ablenken, konzentriert sich auf sein Ziel, erst der Beste zu werden und dann der Beste zu bleiben. "Ich analysiere jeden Einzelnen und jedes Detail, so gut ich kann, und versuche herauszufinden, was sie anders machen. Es geht um permanente Verbesserung in jedem Teilbereich", beschreibt er seine Arbeitsweise. Sie ist damals, in den 1990er-Jahren, in dieser Perfektion ungewohnt. Inzwischen ist sie längst Standard, wie auch Fitnesstrainer, Physiotherapeuten und Ernährungspläne.

Schumacher fordert viel, lebt aber auch vor, was er erwartet. Er gibt jedem das Gefühl, gebraucht zu werden und wichtig zu sein. Er vergisst keinen Geburtstag. Der Fahrer als Motivator und Mannschaftskapitän - auch eine neue Facette im Berufsbild Formel-1-Pilot. "Für mich ist nicht das Schöne, als Fahrer das Bestmögliche zu erreichen, sondern im Team", sagt er. Und der Kerpener erreicht viel. Er wird Weltmeister mit Benetton (1994, 1995) und Ferrari (2000 bis 2004). Die Hoffnungen von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, Schumacher könne der dringend benötigte neue Superstar werden, erfüllen sich. Für die einen ist er der strahlende Held, den anderen dient er als Feindbild - und er bietet allen reichlich Stoff.

"Mögen seine ersten Titel auch einen bitteren Beigeschmack hinterlassen haben, sollte man sich die anderen auf der Zunge zergehen lassen", schreibt das britische Branchenblatt "Autosport". Als kontroverse Legende, als Virtuose und Bösewicht wird Schumacher bezeichnet. Während seiner Zeit bei Benetton ist er für viele nur "Schummel-Schumi". Wenngleich er für die Tricksereien seines Teams nicht verantwortlich ist, muss er als Fahrer die Prügel einstecken. Schumacher sucht die Perfektion. Für Fehler ist kein Platz. Sie zuzugeben, fällt ihm schwer. Etwa als er beim Saisonfinale 1997 in Jerez seinen Rivalen Jacques Villeneuve von der Strecke katapultieren will, dabei aber ausscheidet, WM-Titel und Sympathien verspielt. Es ist die vielleicht spektakulärste einiger grenzwertiger Aktionen.

Schumacher kann nicht nachgeben - auf und abseits der Rennstrecke. Dabei kennt er keine Verwandten. Bruder Ralf, der 1997 in die Formel 1 kommt, drückt er einmal beim Start zum WM-Lauf auf dem Nürburgring fast in die Streckenbegrenzung. Was für die einen ein Zeichen von Charakterschwäche ist, das ist für die anderen die Stärke und Konsequenz, die Champions ausmacht.

1994 wird Schumacher in Imola erstmals mit den brutalsten Folgen seines Sports konfrontiert, den er liebt, der aber gefährlich ist. Roland Ratzenberger (Österreich) und tags darauf Ayrton Senna (Brasilien) verunglücken tödlich. Keiner setzt sich danach so stark für die Verbesserung der Sicherheit bei den Strecken und Autos ein wie Schumacher. Im Formel-1-Auto verunglückt er nur einmal schwer. In Silverstone bricht er sich 1999 ein Bein und muss für sechs Rennen aussetzen. Als der Rekord-Weltmeister erstmals zurücktritt, fühlt er sich leer. "Wenn, dann habe ich den Anspruch, auf höchstem Niveau zu fahren", betont er.

Drei Jahre später sitzt er wieder im Formel-1-Auto, fährt für Mercedes. Die Schwaben haben ihn am Anfang seiner Karriere maßgeblich unterstützt. 53 Rennen, einmal Dritter - das sind nun aber keine Ergebnisse, die er sich erhoffte. "Ich habe das Verlieren gelernt", sagt Schumacher. In seiner zweiten Phase zeigt er sich verändert. Er ist nicht mehr so verbissen, sondern viel offener, zugänglicher.

Als er Ende 2012 erneut aufhört, scheint der Weg frei für die gemeinsame Zeit mit Ehefrau Corinna, Tochter Gina-Maria und Sohn Mick, der unlängst WM-Zweiter im Kart wurde. Doch der 29. Dezember 2013 verändert das Leben der Familie. Schumacher stürzt beim Skilaufen. Trotz eines Helms erleidet er ein Schädel-Hirn-Trauma. 189 Tage liegt er im künstlichen Koma.

Oktober 2014. Jean Todt (68), in der gemeinsamen Zeit bei Ferrari zu einem Freund geworden, ist in Gland am Genfer See im Anwesen der Schumachers, wo die Reha seit Anfang September fortgesetzt wird. "In den letzten Wochen und Monaten hat Michael Fortschritte gemacht. Aber es liegt noch ein langer und schwerer Weg vor ihm", sagt der Franzose, einst Teamchef bei den "Roten". Details sind nicht bekannt. Das ist Privatsache. Wenn es etwas zu melden gebe, werde man es tun, heißt es.

AM SAMSTAG STELLEN WIR DAS MODEL CLAUDIA SCHIFFER VOR.

(RP)
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