Lebensgefahr nach Ski-Unfall Nie war die Sorge um Michael Schumacher so groß

Kerpen · Spezialisten behandeln den beim Skifahren verunglückten Ex-Rennfahrer in Grenoble. Sie wagen noch keine Prognosen. In Kerpen, der Heimatgemeinde des schwer verunglückten Stars, herrscht Betroffenheit.

Sport-Stars sorgen sich um Michael Schumacher
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Foto: dpa, David Ebener

Am Zaun des Michael-Schumacher-Kart-Centers hängt eine knallrote Kappe mit schwarz-rot-goldenen Streifen. Auf dem Schirm sind die Jahre von Schumachers sieben Titelgewinnen in der Formel 1 verzeichnet. Darüber steht in ungelenken Blockbuchstaben: "Veel beterschap, Nr.1!" Ein Fan aus den Niederlanden wünscht dem beim Skifahren schwer verunglückten Rennfahrer gute Besserung. Die Rennbahn in Kerpen-Sindorf bleibt an diesem Tag geschlossen. Montag ist Ruhetag.

Der Pressedienst von Schumachers Heimatstadt Kerpen verbreitet eine Aussage von Bürgermeisterin Marlies Sieburg (SPD): "Meine Gedanken sind bei ihm und seiner Familie, und ich wünsche ihm zusammen mit den Kerpener Bürgerinnen und Bürgern alles erdenklich Gute und eine schnelle Genesung." Dürre Worte. Aber was soll sie in dieser Situation des Hoffens und Bangens anderes sagen? Später sagt sie: "Nach den Aussagen der Ärzte wird einem angst und bange."

Kerpen, die 60.000-Einwohner-Stadt östlich von Köln, hat mit Schumacher Titel und Triumphe gefeiert, sie hat sein vermeintliches Karriereende, das Comeback und den erneuten Abschluss seiner einzigartigen Laufbahn begleitet. Nach Unfällen hat sie um ihn gebangt. Doch nie war die Sorge so groß wie seit Sonntagmittag, als die Nachricht vom Skiunfall die Runde machte.

Pressestimmen zu Schumachers Ski-Unfall
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Wird er wieder vollständig gesund?

Gut 800 Kilometer weiter südlich zeigen die Mienen der Ärzte im Centre Hospitalier Universitaire in Grenoble, wie ernst es um Michael Schumacher steht. Sie wagen es nicht, Prognosen abzugeben. Überlebt der Patient? Trägt er bleibende Schäden davon? Wird er wieder vollständig gesund? "Wir sprechen noch nicht über Spätschäden, sondern konzentrieren uns allein auf die akute Behandlung und denken von Stunde zu Stunde. Wir versuchen, Zeit zu gewinnen", sagt Chefarzt Jean-Francois Payen. Der hagere Mann mit dem kurz gestutzten Resthaar guckt über den Rand seiner Brille und hält den Kopf schräg. Die hochgekrempelten Ärmel des Hemdes, das er unter dem Kittel trägt, unterstreichen seine Worte: "Wir arbeiten ohne Unterlass."

Vier weitere Mediziner sitzen bei der Pressekonferenz neben Payen auf dem Podium: Anästhesisten und Neurochirurgen. Die Männer sind es gewohnt, um Menschenleben zu kämpfen. Wer gerade nicht spricht, starrt ins Leere oder auf die Wasserflaschen aus Plastik, die vor ihm stehen. Die Ärzte sind müde, sie haben die Nacht durchgearbeitet. Eine Batterie von Mikrofonen ist vor ihnen aufgebaut. Dutzende von Kameras sind auf sie gerichtet. Vor dem Krankenhaus stehen Übertragungswagen.

Die Ärzte sprechen von Blutergüssen und Prellungen und "weit verbreiteten Verletzungen" im Gehirn. "Er ist in ein künstliches Koma versetzt worden. Wir versuchen, die Gehirn-Ödeme zu reduzieren und den Druck zwischen Gehirn und Schädel so weit wie möglich zu verringern. Er wurde ein Mal operiert, der Eingriff fand ohne größere Schwierigkeiten statt", sagt der behandelnde Arzt. Die Situation sei kritisch, "nicht stabil". Schumachers Temperatur werde bei 34 bis 35 Grad Celsius stabilisiert, um Stimulierungen des Gehirns von außen so gering wie möglich zu halten. Dadurch könne das Gehirn stärker mit Sauerstoff versorgt werden.

"Der Champion ohne Grenzen"

Italienische und englische Zeitungen hatten in ihren Einschätzungen einen Zusammenhang zwischen Schumachers Liebe zum Tempo und der Schwere des Unfalls hergestellt. "Der Champion ohne Grenzen, besessen von der Geschwindigkeit", schrieb etwa "La Stampa". Die Aussagen der Ärzte lassen darauf schließen, dass er mit seinem Sohn Mick (14) tatsächlich außerordentlich schnell unterwegs war, als er im französischen Meribel rund 20 Meter abseits der Piste stürzte und mit dem Kopf auf einen Fels prallte. Wie rund 80 Prozent der Skifahrer trug er einen Helm — ohne den Kopfschutz wäre er wohl am Unfallort gestorben.

Das Areal um den Ort Meribel ist Bestandteil des gigantischen französischen Skigebiets "Trois Vallees" (Drei Täler). Im Nachbartal liegt mit Courchevel einer der teuersten Skiorte überhaupt, in der Gegend toben sich die Superreichen aus. Nur gut zwei Stunden Fahrzeit sind es von Schumachers Anwesen auf der Schweizer Seite des Genfer Sees bis dorthin.

Schumachers Frau Corinna und Tochter Gina-Maria (16) sind in der Nacht nach Grenoble gekommen, auch Bruder Ralf und Vater Rolf sind in Frankreichs Südosten gereist. Ross Brawn und Jean Todt, väterliche Freunde aus den Rennfahrer-Jahren, stehen ihm im Krankenhaus bei. Sie warten und beten.

(RP)
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