Analyse TV-Zuschauer verlieren Spaß an der Formel 1

Düsseldorf · Die Königsklasse des Automobilrennsports muss viele Probleme lösen. Ohne Kompromisse geht es wohl nicht. Ein Ausweg ist noch nicht in Sicht. Das schlechte Image wirkt sich aus. Der TV-Sender RTL verzeichnet die schwächste Bilanz seit 1994.

Lewis Hamilton weint nach zweitem WM-Titel
16 Bilder

Hamilton weint nach zweitem WM-Titel

16 Bilder

Sportlich war die Saison spannend, auch wenn Mercedes dominierte und 16 von 19 Rennen gewann. Das Duell um den Fahrer-Titel, in dem Lewis Hamilton erst beim Finale in Abu Dhabi seinen Teamrivalen Nico Rosberg abschüttelte, bot oft attraktiven Motorsport. Wie auch die Zweikämpfe der Mitbewerber, die im Schatten der Silberpfeile unterwegs waren.

Doch das Fazit fällt ernüchternd aus. Die Formel 1 hat Probleme. In den 1990er-Jahren war sie fast ohne Konkurrenz. Sie sorgte für Nervenkitzel. Sie war gefährlich. Von der Zuverlässigkeit der aktuellen Autos war man weit entfernt. Getriebe- und Motorschäden oder falsch berechnete Benzinmengen sorgten für Ausfälle. Wer von der Strecke abkam, endete im Kiesbett oder in der Seitenbegrenzung. Auslaufzonen, die heute so manchen Fehler nur mit Zeitverlust bestrafen, gab es nicht. All das sorgte aber auch für die Faszination Formel 1, die mehr und mehr schwindet.

Negativ-Image Die Insolvenz des Marussia-Teams, die ungesicherte Zukunft von Caterham, die Hilferufe von Lotus, Sauber und Force India rücken die Formel 1 in ein schlechtes Licht. "Wer sie sich nicht leisten kann, der soll gehen", sagte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Rund 1,35 Milliarden Euro erwirtschafte die Rennserie im vergangenen Jahr, etwa 725 Millionen Euro stellte der Rechte-Inhaber CVC den Teams zu Verfügung. "Die Höhe ist okay. Nicht okay ist der aktuelle Verteilungsschlüssel", sagt Lotus-Teamchef Gerard Lopez. 60 Prozent erhalten die vier Top-Teams (Ferrari, Red Bull, McLaren, Mercedes). Der Rest bleibt für die zu Saisonbeginn noch sieben Mitbewerber. "70 bis 80 Prozent", so Lopez, gehen für die Motoren drauf, der Rest reiche nicht zur Finanzierung einer Saison.

Solidarität Die Topverdiener sind noch nicht bereit, die in ihren Spezialverträgen bis 2020 festgelegten Konditionen für einen Konsens zu lockern, der die kleineren Teams wettbewerbsfähig hält. Ecclestone und sein Arbeitgeber CVC sehen auch nicht die Notwendigkeit für Hilfsaktionen. Doch die Zeiten, als Sponsoren in die Formel 1 drängten, sind vorbei. Um Sport allein geht es schon lange nicht mehr. "Wir sind ja vor allem hier, um mit Hilfe von sportlichen Erfolgen weltweit Autos zu verkaufen. Aus marketingtechnischen Gründen wäre es nicht geschickt, mit zwei deutschen Piloten anzutreten", sagte unlängst Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche zum Thema eines deutschen Nationalteams mit Nico Rosberg und Sebastian Vettel im Cockpit.

Regeländerungen Bernie Ecclestone hat erreicht, dass es beim Saisonfinale die doppelte Punktzahl gab. Der 84-Jährige hatte sogar an drei besser belohnte WM-Läufe gedacht. Ein Kunstgriff, der nur deutlich macht, dass der Brite sein Produkt offenbar nicht mehr attraktiv genug findet. Aber all die "Tricks" wie zusätzliche PS, um das Überholen zu erleichtern, sowie die immer komplexere Technik, die den Fahrer aus dem Mittelpunkt drängt, mindern das Interesse an der Formel 1.

Zuschauer Als die wirtschaftliche Lage gut war, bat man die Fans zur Kasse. Auch heute sind die Veranstalter gezwungen, ihre Tickets teuer zu verkaufen, um die von Ecclestone verlangten Antrittsgelder zahlen zu können. Könnte man den Rückgang an den Strecken noch ignorieren, so sind Nachrichten wie jene des Fernsehsenders RTL alarmierend. Erstmals seit 1994 interessierten sich weniger als fünf Millionen TV-Zuschauer für Vettel und Co. Im Schnitt sahen 4,36 Millionen die 19 Rennen (2013: 5,28). Von Zeiten wie 2001, als der Wert bei 10,44 Millionen lag, träumt man nicht einmal. Im Sommer hatte Sportchef Manfred Loppe noch von einem "temporären Schwächeanfall" gesprochen. Nun wird die Entwicklung sehr genau hinterfragt. TV-Gelder und Gebühren der Strecken-Betreiber machten 2013 fast 80 Prozent des Formel-1-Umsatzes aus.

Wettbewerb Als man 2011 die Einführung der V6-Turbomotoren beschloss, wurde zur Kostenreduzierung festgelegt, dass daran nicht viel verändert werden darf. Angesichts der Überlegenheit von Mercedes wollen Renault und Ferrari dieses Verbot lockern. Das kann aber nur passieren, wenn alle zustimmen. Die Schwaben haben daran kein großes Interesse.

Führungsfigur Laut Gerhard Berger, früherer Formel-1-Pilot und -Teambesitzer, braucht die Formel 1 jemanden, dem der Sport als spannende Unterhaltung am Herzen liegt, der von allen Seiten anerkannt wird und die politisch-egoistischen Denkweisen unterbindet. Doch diese Person ist nicht in Sicht.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort