Formel 1 Vom Schicksal gestoppt, nun Vettels Förderer

Abu Dhabi (RPO). Ohne jenen Schicksalsschlag am 2. Juli 1972 wäre aus Helmut Marko wahrscheinlich selbst ein großer Formel-1-Fahrer geworden. Der Österreicher galt als ähnlich talentiert wie sein langjähriger Schulfreund Jochen Rindt, als ihn in seinem neunten Rennen in der Königsklasse ein Unfall stoppte.

Das ist das Team hinter Sebastian Vettel
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Beim Großen Preis von Frankreich in Clermont-Ferrand traf Marko, einer der Entdecker und der vielleicht größte Förderer von Weltmeister Sebastian Vettel, ein von Ronnie Petersons March aufgewirbelter Stein im Gesicht. Der Österreicher verlor sein linkes Auto und musste seine Karriere beenden.

Nach einem ähnlichen Unfall des Brasilianers Felipe Massa 2009 gab der gebürtige Grazer bei Motorsport-Total eines seiner wenigen Interviews zu seinem eigenen Unfall. "Ich habe es damals kommen sehen, hatte aber keine Chance, zu reagieren. Zunächst sah ich nur Staub, dann wurde es schwarz", erzählte er.

Das Schicksal spielte ihm dabei gleich in mehrfacher Hinsicht einen Streich. Marko saß im neuen Chassis einige Zentimeter höher als normal: "Für das nächste Mal sollte ich einen anderen Sitz bekommen, mit dem ich tiefer im Auto gesessen hätte. Dann hätte mich der Stein nicht getroffen."

Doch selbst nach dem Unglück hätte sein Auge vielleicht gerettet werden können, wenn die Umstände in Frankreich nicht so hanebüchen gewesen wären. Erst war er in eine Hütte gebracht worden, dann in das falsche Krankenhaus. Im richtigen "mussten sie den Arzt anrufen, der für Augenverletzungen zuständig war. Er war jedoch bei einer Grillparty", so Marko.

Da er keine passende Krankenversicherungskarte dabei hatte, wurde er außerdem erst mal zur Barzahlung aufgefordert. Unter "großen Schmerzen, das können Sie mir glauben", musste er schließlich sechs Stunden auf eine Behandlung warten. Ob sein Auge sonst hätte gerettet werden können? "Manche sagen ja, aber beweisen kann man es nie."

Es war das bittere Ende einer verheißungsvollen Karriere. 1971 hatte der Doktor der Rechtswissenschaften beim Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans einen Streckenrekord aufgestellt, der erst 2010 gebrochen wurde. Zum Zeitpunkt seines Unfalls hatte er bereits einen Vorvertrag mit Ferrari in der Tasche.

Nach dem Unfall wurde Marko dann Hotelier, zudem managte er Rennfahrer wie Gerhard Berger oder Juan Pablo Montoya. 1999 überzeugte er Milliardär und Firmen-Boss Dietrich Mateschitz von der Gründung eines Red-Bull-Junior-Teams, das er fortan leitete.

2003 traf Marko in dieser Funktion Sebastian Vettel, den er Jahre zuvor in Spielberg erstmals gesehen und nicht sonderlich wahrgenommen hatte. Dass er ein besonderer Fahrer werden würde, war für Marko "damals nicht erkennbar", sagte er kürzlich der Süddeutschen Zeitung: "Er war ein Bürscherl, das ein bisschen verschüchtert mit seinem Vater unterwegs war. Es war überhaupt nicht zu ahnen, was aus dem mal wird."

Auch bei besagtem Treffen vor acht Jahren in Hockenheim, als es um Vettels Aufnahme ins Red-Bull-Juniorteam ging, war der Hesse noch ausgesprochen jugendlich. "Ich erinnere mich, wie er dasaß: Er war 16, trug noch Zahnspange", sagte Marko: "Er sah aus, wie die meisten Jungs in dem Alter aussehen: ein bisschen milchig, noch keine Konturen. Aber an den Fragen, die er gestellt hat, war abzusehen: Da weiß einer, wie seine Zukunft aussehen soll."

Marko vertraute seinem Instinkt und seiner Menschenkenntnis, nahm Vettel unter Vertrag und lag goldrichtig. Er bemerkte, wie der Deutsche sich heimlich die speziellen Fitness-Maschinen für den heimischen Keller nachkaufte und bald der Fitteste des gesamten Juniorteams war. Nach 18 Siegen in 20 Rennen der Formel BMW war Marko dann endgültig klar: Aus diesem Milchbuben wird ein ganz Großer.

Vettel wurde zu Markos Ziehsohn. Dessen interne Ansprache ist schroff und gefürchtet. Auch Vettel bekam manchmal die Leviten gelesen, so 2010 in Budapest, als er nach Rang drei mit finsterer Miene aufs Podium stieg und Marko ihm klarmachte, "dass das so nicht geht". Zuletzt in Indien kritisierte der heute 68-Jährige Vettel dafür, dass er durch die Bestzeit in der letzten Runde ein unnötiges Risiko eingegangen war.

Meist aber legt er die schützende Hand über ihn. Denn Marko weiß: Vettel ist besser, als er selbst jemals geworden wäre.

(SID/rl)
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