Sicherheit-Debatte Wie sicher kann die Formel 1 sein?

Suzuka · Nach dem schweren Unfall von Jules Bianchi stellt sich die Frage nach der Sicherheit in der Formel 1. Noch immer gibt es wohl Dinge zu verbessern - doch das Risiko wird bleiben.

Jules Bianchi kämpft um sein Leben- Ein absurder Unfall!
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Pressestimmen zum Großen Preis von Japan

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Er wirkte nach, dieser schwarze Sonntag in Suzuka. Die Sorgen um den verunglückten Jules Bianchi wurden wie automatisch begleitet von der altbekannten Frage: Wie sicher kann die Formel 1 sein? "Wir gewöhnen uns daran, wenn nichts passiert", sagte ein nachdenklicher Niki Lauda, "und plötzlich sind wir dann alle überrascht. Dabei müssten wir uns darüber im Klaren sein, dass Motorsport immer gefährlich ist."

Fast 40 Jahre liegt es zurück, dass Lauda auf dem Nürburgring selbst aus dem brennenden Wrack seines Ferrari befreit werden musste. Es war eine Zeit, in der alljährlich Piloten ums Leben kamen, der Tod fuhr immer mit. Das alles scheint weit entfernt - der Unfall und die schweren Kopfverletzungen Bianchis beim Großen Preis von Japan riefen nun auf tragische Weise ins Gedächtnis, dass auch im Jahr 2014 ein Risiko bleibt.

Seit den bis dato letzten tödlichen Unfällen, denen an jenem denkwürdigen Wochenende 1994 in Imola Roland Ratzenberger und Ayrton Senna zum Opfer fielen, hat die Formel 1 in Bezug auf die Sicherheit riesige Sprünge gemacht. Die Fahrer sind heute so gut geschützt wie nie zuvor, mit dem Automobil-Weltverband FIA wird fortlaufend an weiteren Verbesserungen gearbeitet. Das Monocoque aus Kohlefaser ist die Überlebenszelle der Rennwagen, sie ist kaum zu zerstören. Auch die Weiterentwicklung von Helmen, Overalls und Rennstrecken trug zunehmend zur Besserung bei.

Jules Bianchi beim Großen Preis von Suzuka schwer verunglückt
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Schwerer Unfall von Bianchi in Suzuka

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Bianchis Unfall geschah dennoch. Trotz doppelter gelber Flagge, also der Aufforderung zu langsamer Fahrt, verlor der Franzose auf nasser Strecke die Kontrolle über seinen Marussia. Grund war simples Aquaplaning: Auch bei geringer Geschwindigkeit können die Autos auf stehendem Wasser plötzlich "schwimmen".

Der Marussia prallte anschließend rückwärts gegen ein Bergungsfahrzeug, das gerade den Sauber des kurz zuvor an derselben Stelle abgeflogenen Adrian Sutil aus der Gefahrenzone entfernte. Dabei brach offenbar der Überrollbügel ab, da die zerklüftete Bauweise des Trucks den Aufprall nicht gleichmäßig abfedern konnte. Zahlreiche unglückliche Umstände hatten sich also zu einer Katastrophe verkettet, einen "Freak Accident" nennt das Williams-Chefingenieur Rob Smedley: "Für so etwas gibt es keine Crash-Tests."

Dennoch lenkte der Unfall den Blick auf zwei Fragen, die nun wieder diskutiert werden. Zum einen die, ob die Bergungstrucks theoretisch ähnlich wie die Streckenbegrenzung verkleidet werden können, wie es bereits im US-Rennsport gehandhabt wird. Zum anderen bleibt der Cockpit-Schutz ein aktuelles Thema - der Kopf der Fahrer ist in den offenen Autos bislang kaum geschützt.

Schon seit Jahren wird die Umsetzung intern diskutiert, um zwei Varianten geht es dabei hauptsächlich: So wurden bereits Hüllen aus transparentem Polykarbonat getestet, die das Cockpit wie bei einem Kampfjet überdecken. Auch eine Gitterkonstruktion wurde geprüft. "Das Kapitel ist noch nicht ganz abgeschlossen", sagte Williams-Ingenieur Smedley bei auto, motor und sport: "Aus technischer Sicht wäre das sehr einfach zu implementieren." Ein fertiges Konzept gibt es allerdings nicht, bis zur Realisierung dürfte noch viel Zeit vergehen.

Jules Bianchi – Bilder aus dem Leben des Formel-1-Fahrers
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Jules Bianchi – Bilder aus dem Leben des Formel-1-Fahrers

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Foto: dpa

Derartige Maßnahmen wären sinnvoll, ob sie einen Unfall wie den Bianchis weniger gefährlich gemacht hätten, bleibt indes unklar. Das Restrisiko wird immer bleiben, "hier bewegen sich Autos mit hoher Geschwindigkeit", sagte der frühere Formel-1-Pilot Alexander Wurz dem ORF: "Wenn man die Kontrolle verliert, ist man ein ballistisches Geschoss. Das ist unkontrollierbare Energie."

(sid)
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