Noch 100 Tage bis zur EM Viele Probleme - die Ukraine ist das Sorgenkind

Düsseldorf · 100 Tage vor der Endrunde der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und in der Ukraine ist zumindest eines sicher: Die Spiele werden stattfinden. Darüber hinaus aber gibt es nach wie vor Probleme, und die hohen Hotelpreise sind nur eines davon.

EM 2012: die Stadien in Polen und der Ukraine
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EM 2012: die Stadien in Polen und der Ukraine

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Martin Kallen sagt, es sei "alles unter Kontrolle". Das klingt beruhigend, vor allem, wenn es vom Turnierdirektor der EM 2012 in Polen und der Ukraine höchstpersönlich kommt. Doch 100 Tage vor dem Beginn der Endrunde der Fußball-Europameisterschaft (8. Juni bis 1. Juli) gesteht Kallen, ein Schweizer in Diensten der ausrichtenden Europäischen Fußball-Union (Uefa), auch ein: "Die Liste ist lang." Übersetzt heißt das: Es gibt noch viel zu tun bis zum Eröffnungsspiel zwischen Polen und Griechenland.

Diese Liste, von der Kallen spricht, ist allerdings gleich so lang, dass nicht alles fertig sein wird, was die zwei Ausrichterländer versprochen haben. Die acht Stadien, immerhin, sind weitgehend abgearbeitet, am 29. Januar wurde das Nationalstadion in Warschau als letzte der Spielstätten eröffnet, mit rund sechs Monaten Verspätung und nach einem zweimaligen Aufschub. Am Mittwoch wird in dem architektonisch eindrucksvollen Bau das Länderspiel zwischen Polen und Portugal stattfinden.

Zuschauern drohen Park-Probleme

Polen hat etwa 30 Milliarden Euro investiert, um allen Anforderungen an einen Ausrichter gerecht zu werden. Die neuen Stadien in den vier Spielorten Warschau, Breslau, Danzig und Posen sind bespielbar, dorthin zu kommen und zu parken etwa, könnte schwierig werden. Von den 219 Infrastrukturprojekten, die Polen im Zusammenhang mit der EM-Endrunde angeschoben hat, sind bislang nur 89 abgeschlossen. Viele Schnellstraßen, Bahnstrecken oder Hotels werden erst nach der EM fertig werden, etwa die Autobahn von Berlin nach Warschau.

Stadien und Unterbringungsmöglichkeiten sollen bis zum 15. Mai bereit für die Besucher aus Europa sein, verspricht Sport- und Tourismusministerin Joanna Mucha, der Kritiker vorwerfen, sie habe nichts zu bieten außer einem hübschen Gesicht: In der Tat hat sie vor eineinhalb Jahren nach polnischem Verständnis etwas freizügig für ein Lifestyle-Magazin posiert. OK-Chef Marcin Herra sagt, seine größte Sorge gelte der Koordination der für Transport, Unterbringung, Information und vor allem Sicherheit zuständigen Stellen.

In Polen werden mit Ausnahme von Frankreich, Schweden und der Ukraine 13 der 16 Endrunden-Teilnehmer wohnen, was auch als Hinweis zu werten ist: Nach einer Vorbereitungsphase, die nach der überraschenden Vergabe durch die Uefa am 18. April 2007 begann, die von Skandalen und Verzögerungen geprägt wurde, bleibt Co-Gastgeber Ukraine ein Sorgenkind. Es läuft längst nicht alles, auch wenn Uefa-Präsident Michel Platini, der den Ukrainern vor eineinhalb Jahren noch mit der Wegnahme der EM gedroht hatte, sagt: "Jetzt läuft es."

Abenteuerreise in die Ukraine

Für die Anhänger der jeweiligen Mannschaften werden Spiele in der Ukraine möglicherweise zu einer Abenteuerreise. Die Spiele in Lwiw (Lemberg) nahe der Grenze zu Polen sind noch einigermaßen gut erreichbar - wenn am Grenzübergang Medyka die Abfertigung nicht bis zu ein paar Stunden dauert. Ansonsten gibt es Bedenken, ob die neu gebauten oder erweiterten Flughäfen im Endspielort Kiew, in Lwiw, Charkow und Donezk den erwarteten Passieransturm problemlos bewältigen können. Ende März, Anfang April sollen alle den Betrieb aufgenommen haben.

Stadien und Flughäfen mögen auch in der Ukraine fertig sein, ansonsten bleiben die Herausforderungen groß. Fraglich, ob Unterkünfte und Transport die Anforderungen erfüllen können. So werden allein für das Gruppenspiel zwischen Frankreich und England am 11. Juni in Kiew etwa 26.000 Anhänger der Engländer und weitere 11.000 Anhänger der Franzosen erwartet, wie der stellvertretende ukrainische Ministerpräsident Boris Kolesnikow am Montag bestätigte. "Das wird eine große Herausforderung für unser Transportsystem", sagte er.

Kolesnikow versicherte, "ich habe keine Zweifel, dass wir in der Lage sein werden, alle Probleme während dieser Veranstaltung lösen zu können." Sogar vor der EM soll noch einiges fertig werden, betonte er: Die Straßenverbindungen nach Polen sollen "im April, spätestens im Mai" nutzbar sein, beteuert er, und auch die Fernstraße von Kiew ins 700 Kilometer entfernte Donezk ist angeblich bald durchgehend befahrbar. Darüber hinaus soll es 17 Schnellzug-Verbindungen täglich zwischen den beiden Ländern geben.

Ob und wie all dies genutzt wird, bleibt fraglich. Uefa-Direktor Kallen wies am Montag nochmals auf die hohen Hotelpreise in der Ukraine hin und bat darum, zur Vernunft zu kommen. Schon ein Zeltplatz in Kiew kostet 40 Euro pro Nacht - so viel wie eine günstige Unterkunft in Warschau. Angeblich wird der Durchschnittspreis während der EM-Endrunde in Kiew bei etwa 250 Euro liegen - in Warschau sollen es etwa 110 Euro sein. Platini sagt unterdessen: "Wir sind glücklich, dass es Polen und die Ukraine geschafft haben."

(sid)
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