Kölns Krise Mit Pleiten, Pech und Pannen in den Abgrund

Düsseldorf · Wenn der Traum zum Albtraum wird: Der so euphorisch gestartete 1. FC Köln erlebt bislang eine Saison zum Vergessen. Das jüngste Heimspiel gegen Werder Bremen vereinte alles, was beim FC schief läuft.

1. FC Köln: Sehrou Guirassy schiebt Ball aus zwei Metern am Tor vorbei
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Guirassy schiebt Ball aus zwei Metern am Tor vorbei

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Foto: rtr, saw

Wer sich beim 0:0 der Kölner gegen Werder Bremen nach Bildern mit Symbolcharakter umsah, der wurde gleich mehrfach fündig. Da war Trainer Peter Stöger, der seinem Stürmer Claudio Pizarro aufmunternd den Kopf tätschelte, nachdem dieser sich beim Warmmachen verletzt hatte. Da war Sportchef Jörg Schmadtke, der seinen Kopf in einem Anflug von verzweifeltem Galgenhumor auf die Schulter des Trainers sinken ließ, als klar war, dass Pizarro ausfallen würde. Und da war natürlich Pizarros Ersatzmann Sehrou Guirassy, der nach einer vergebenen Riesenchance bäuchlings da lag, wo eigentlich der Ball hätte Platz finden sollen: im Tor der Bremer.

"Momentan schießen wir uns selbst die Bälle von der Linie", sagte Verteidiger Dominique Heintz. So wie eben Guirassy, der in der 86. Minute freistehend aus zwei Metern den Ball nur noch über die Linie hätte drücken müssen, ihn aber mit der Hacke am Kasten vorbeistolperte. Womit es der Franzose auch verpasste, die zwar nicht spielerisch überzeugenden, aber kämpferisch starken und überlegenen Kölner im Kellerduell zu belohnen.

Nein, man kann wirklich nicht behaupten, dass in Köln derzeit alles nach Plan läuft. Vielmehr gesellen sich zu den spielerischen Mängeln bislang in nahezu jedem Spiel eine Reihe von Vorfällen aus der Reihe "Pleiten, Pech und Pannen". Deren Häufung könnte so manch abergläubischen Fan mittlerweile an einen Fluch glauben lassen. "Was haben wir verbrochen, dass es so gegen uns läuft?", fragte sich Heintz.

Bundesliga 2017/18, 9. Spieltag: Pressestimmen
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Neun Spiele, drei Tore, zwei Punkte, so die magere Ausbeute in der Liga. Und auch in der Europa League läuft es nicht besser. "Das spielerische Element der Kölner wurde bislang nicht belohnt, das macht mich auch ein bisschen wahnsinnig", sagte Eurosport-Experte Matthias Sammer.

Dass Guirassy gegen Bremen überhaupt von Beginn an startete, passt zur Kölner Pechsträhne. Statt des Franzosen hätte eigentlich Pizarro in der Startelf stehen sollen. Doch dessen Oberschenkel zwickte vor der Partie plötzlich. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen verletzte sich ein FC-Profi beim Aufwärmprogramm. In der Europa League in Borissow musste Kapitän Matthias Lehmann kurzfristig passen.

Die Kölner mussten schon einige Rückschläge verkraften. In Jonas Hector fehlt der vielleicht wichtigste Mann im Team von Stöger monatelang. Verletzt hat er sich im Spiel beim FC Arsenal, als Köln - zum ersten und einzigen Mal in dieser Saison (DFB-Pokal ausgenommen) - in Führung lag. Ohne den Nationalspieler verlor der FC in London noch 1:3. Auch Flügelspieler Marcel Risse, in der vergangenen Spielzeit Schütze des "Tor des Jahres", muss derzeit passen. Der neue, glücklose Stürmer Jhon Cordóba, der eigentlich durch Pizarro Unterstützung erfahren sollte, verletzte sich just im ersten Spiel nach der Not-Verpflichtung des 39-Jährigen und wird wohl erst im Dezember wieder eingreifen können. In Artjoms Rudnevs beendete ein weiterer Angreifer aus persönlichen Gründen mitten in der Saison seine Karriere.

Zum Verletzungspech, mit dem freilich auch andere Mannschaften zu tun haben, gesellt sich noch die Kölner Dauerfehde mit dem Videobeweis. Beim 0:5 in Dortmund gab es Ärger mit anschließender Protestankündigung, die dann doch nicht in die Tat umgesetzt wurde. Beim 0:1 gegen Frankfurt fühlten sich die Kölner ebenfalls benachteiligt. Und die dramatische Schlussphase in Stuttgart, in der ein Elfmeter für Köln nach minutenlanger Prüfung wieder zurückgenommen wurde und Stuttgart kurz darauf das Siegtor erzielte, dürfte Köln noch lange in Erinnerung bleiben.

Fakt ist aber auch, dass der FC nicht wegen Pech das Tabellenschlusslicht bildet. Der Mannschaft mangelt es schlicht und einfach an Qualität. In der vergangenen Saison spielte das Team über seinen Möglichkeiten, Schwachstellen wurden im Sommer aber nicht ausgebessert. Und die Tore von Anthony Modeste fehlen an allen Ecken und Enden.

"Wenn man zu viele Fehler macht, dann ist es keine Überraschung, dass wir da unten stehen", sagte Stöger vor dem Werder-Spiel. "Dass wir mit einem Punkt da unten stehen, das spiegelt das Ganze nicht wieder. Aber im Grunde stehen wir zu Recht da unten." Guirassy hätte aus dem einen Punkt vier machen können. Tabellenletzter wäre Köln dann immer noch gewesen.

Am Montagabend haben die Kölner eine erste personelle Konsequenz gezogen und den bis 2023 laufenden Vertrag mit Manager Jörg Schmadtke einvernehmlich aufgelöst.

(areh)
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